Menü
im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes 2030
Im Entwurf zum Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) wird das Projekt Nr.
2-038-V01 ABS Weimar-Gera-Gößnitz im potenziellen Bedarf aufgeführt.
Hierzu nehmen wir, das Aktionsbündnis "Nächster Halt - Weimar", wie folgt Stellung:
Das Projekt 2-038-V01 hat für 1) das Bundesland Thüringen, 2) das Gesamtsystem Schiene und 3) die nachhaltige Entwicklung des Verkehrs in der Bundesrepublik Deutschland eine so hohe Bedeutung, dass es in den vordringlichen Bedarf des BVWP 2030 eingeordnet werden muss.
Begründung:
„Wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass wir bis zur Mitte des Jahrhunderts weitgehend klimaneutral leben und wirtschaften wollen, dann erfordert das die Transformation unserer Wirtschaftsweise sowie die Änderung unserer Lebensweise.“ Dieser Satz unserer Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im Interview mit der Zeitschrift „fairkehr“ (Ausgabe 1/2016) beschreibt klar und deutlich eine der wesentlichen Herausforderungen, vor welcher unsere Gesellschaft steht. Und mit einem weiteren Satz wird sie auch ganz konkret: „Dass wir ein neues Mobilitätskonzept brauchen, um die Klimaziele zu erreichen, liegt auf der Hand.“
Ein wesentliches und grundlegendes planerisches Mittel von zentraler strategischer Bedeutung für die Infrastrukturentwicklung in Deutschland stellt der Bundesverkehrswegeplan dar. Der vorgelegte Entwurf für dessen anstehende Fortschreibung wird dem eingangs zitierten Anspruch leider nicht gerecht. Der Anteil der vorgesehenen Projekte mit konkret absehbarer Realisierungsperspektive, die diesem Ziel gerecht werden, ist viel zu gering!
Insgesamt kommen die Schienenprojekte viel zu kurz - und das obwohl es für einen Teil der im „potenziellen Bedarf“ genannten Schienenprojekte konkrete Vorhabenplanungen bezüglich der Nutzung gibt.
Exemplarisch hierfür steht das Projekt des vollständigen zweigleisigen Ausbaus und der Streckenelektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung. Obwohl in der Liste „Laufende und fest disponierten Projekte“ in Zeile 12 die komplette Strecke „ABS Paderborn –Bebra – Erfurt –Weimar – Jena –Glauchau – Chemnitz (1. u. 2. Baustufe)“ genannt ist, soll die 2. Baustufe im aktuellen Planungshorizont nicht berücksichtigt werden. Beide dafür notwendigen Projekte: Nr. 15; 2-030-V01 ABS Gotha – Leinefelde „Elektrifizierung Gotha – Bad Langensalza – Leinefelde“ und Nr. 23; 2-038-V01 ABS Weimar – Gera – Gößnitz „Elektrifizierung Weimar – Stadtroda, 2. Gleis Papiermühle– Hermsdorf-Klosterlausitz, Töppeln – Gera, Elektrifizierung Weimar – Gera – Gößnitz / Lehndorf" stehen lediglich unter den „Vorhaben des Potentiellen Bedarfs, die in den VB oder WB aufsteigen können“.
Ohne diese beiden Projekte bleiben aber die bisherigen Investitionen in die Bahntrasse nur Stückwerk. Die Ende 2016 endlich zweigleisig ausgebaute Strecke zwischen Weimar und Jena kann nur regionale Bedeutung entfalten.
Der weitaus größte Teil der positiven Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung in Thüringen findet entlang der west-östlich verlaufenden „Städtekette“ Eisenach – Gotha – Erfurt – Weimar – Jena – Gera statt. Diese war bis zur Eröffnung des ersten Teilstücks des VDE 8 im Dezember 2015 gut bis sehr gut an den Bahnfernverkehr angeschlossen. Mit diesem Datum – und viel stärker noch mit der Eröffnung des gesamten VDE 8 im Dezember 2017 – sind die Städte Weimar – Jena – Gera jedoch weitgehend vom Bahnfernverkehr abgekoppelt. Das Bundesland Thüringen und insbesondere die ostthüringische Region mit den besagten Städten kann aber nicht allein über den ICE-Knoten Erfurt an den Bahnfernverkehr angeschlossen werden.
Auch die Hochgeschwindigkeitsstrecken brauchen leistungsfähige Zubringer. Insofern lohnt es sich, die gut 10 Mrd. Euro für das VDE 8 um einen Bruchteil der Kosten für den Ausbau der Zubringer zu ergänzen. Denn nur durch einen verlässlichen Betrieb auf den Zubringerstrecken - sowohl im Regional- als auch im Fernverkehr - kann die Hochgeschwindigkeitsstrecke ihre volle Wirkung entfalten.
Für Zentralthüringen ermöglicht erst die Elektrifizierung den Ausbau des Nahverkehrsangebotes zu einem S-Bahn-Takt und damit die effiziente Bedienung des ICE-Knotens Erfurt aus der so bedeutsamen Richtung Ostthüringen und aus Nordwesten. Verkehrsmittelnutzung ist zu großen Teilen psychologisch bedingt. Ein Verkehrsmittel muss verfügbar, bequem und möglichst schnell sein. S-Bahnen besitzen dieses Image – und die S-Bahn Mitteldeutschland hat vorgemacht, wie sich ein als S-Bahn deklariertes Streckennetz in der Fläche erfolgreich etabliert. Mit der Elektrifizierung der Strecke Weimar – Jena – Gera - Gößnitz könnte eine Thüringen-S-Bahn entlang der oben beschriebenen Städtekette entstehen. Sie bedient den ICE-Knoten Erfurt effektiv aus West- und Ostrichtung.
Hinzu kommt: Der sich im Eigentum des Bundes befindliche Deutsche Bahn-Konzern hat in seinem wegweisenden Konzept „Mehr Bahn für Metropolen und Regionen“ vom 18.03.2015 auf Folie 13 der entsprechenden Präsentation explizit eine neue Direktverbindung zwischen Düsseldorf und Chemnitz aufgelistet, mit dem ausdrücklich dort formulierten Ziel, die Reisendenzahl auf eben dieser Relation zu verdoppeln. Allerdings wird auf derselben Folie in einem Fußnotenvermerk die Elektrifizierung des in Rede stehenden Abschnittes zur Vorbedingung für die Realisierung dieses Projektes erklärt.
Das bedeutet: der bundeseigene Bahnkonzern verfolgt eine konkrete Planung zur lang ersehnten Angebotsausweitung, wofür er allerdings die Schaffung entsprechender infrastruktureller Voraussetzungen zur Bedingung macht. Es ist unverantwortlich, diesem Ansinnen nicht zu entsprechen.
Die allgemeine Vorteile einer E-Traktion sind unbestritten und sollen hier nur kurz angerissen werden: deutlich geringere Energiepreise, deutliche ökologische Vorteile und deutlich höhere Beschleunigung im Vergleich zur Dieseltraktion. Der Nutzen - Kosten- Effekt von Elektrifizierungsmaßnahmen ist stets sehr hoch. Demgegenüber stehen nur geringe ökologische Effekte, da die Trasse als Eingriffe in den Naturraum bereits vorhanden ist.
Der ostthüringisch-westsächsische Ballungsraum mit seinem erheblichen wirtschaftlichen und strukturpolitischen Potenzial ist nachweisbar eine der am meisten vernachlässigten Regionen Deutschlands, was die Einbindung in das nationale Schienenverkehrsnetz betrifft. Die Großstadt Chemnitz muss als regelrecht abgehängt bezeichnet, für die Städtekette Weimar-Jena-Gera muss Ähnliches befürchtet werden.
Die Mitte-Deutschland-Verbindung hat in diesem Zusammenhang eine überragende Bedeutung in ihrer Verknüpfungsfunktion als West-Ost-Achse mit zahlreichen Nord-Süd-Verkehrsachsen, wobei sich auch ein perspektivischer Blick über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus aufdrängt.
Wie wir uns in den letzten Wochen immer wieder versichern konnten, steht das Land Thüringen überzeugt und geschlossen hinter der Elektrifizierung der Streckenabschnitte Gotha – Leinefelde und Weimar - Gößnitz und der damit verbundenen Ertüchtigung der Mitte-Deutschland-Verbindungen. Zahlreiche weitere Stellungnahmen politischer und zivilgesellschaftlicher Akteure sind deshalb bei Ihnen eingegangen. Die Bundestagsabgeordneten des Freistaats unterstützen das Projekt aktiv. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft stellt außerdem 33 Mio. Euro Planungs- und Realisierungskosten in Aussicht. Gemeinsam helfen wir diesem zukunftsträchtigen Vorhaben auf die Schiene!
Zum Schluss sei noch eine wichtige Bemerkung erlaubt, die die Belastbarkeit des Entwurfs des BVWP betrifft:
Für eine sinnvolle Stellungnahme erscheint uns die Transparenz der Projektbewertungen völlig unzureichend. Konkret für das Projekt 2-038-V01 sind weder im PDF-Dokument noch im Projektinformationssystem konkrete Bewertungskriterien ersichtlich. Unsere Stellungnahme kann sich deshalb nur auf den reinen Fakt beziehen, dass das Projekt nur in den potenziellen Bedarf aufgenommen wurde. Das halten wir im Sinne eines echten Diskurses für unbefriedigend.