Benennung Stadtratssaal in Marie-Juchacz-Saal

Der Stadtrat beschließt:

Der Saal in der Schwanseestr. 19, in dem gewöhnlich der Stadtrat tagt, wird in Marie-Juchacz-Saal umbenannt.

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, in diesem Sinne die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

 

Begründung:

Als eine von 37 Frauen wurde Juchacz 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt. Am 19. Februar 1919 hielt sie dort die erste Rede einer deutschen Parlamentarierin. Sie gehörte als einzige Frau dem „Ausschuß zur Vorberatung des Entwurfs einer Verfassung des Deutschen Reichs" der Nationalversammlung an. Von 1920 bis 1933 war sie Mitglied des Reichstages.

Der Tag ihrer ersten Rede, 19. Februar, oder ihr Geburtstag, 15. März, empfehlen sich als Tag des formellen Vollzugs der Umbenennung.

Kurzlebenslauf von und Informationen zu Marie Juchacz

Marie Juchacz, geb. Gohlke, wurde am 15. März 1879 in Landsberg an der Warthe geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Landsberg an der Warthe arbeitete Juchacz, die evangelischen Glaubens war, ab 1893 zunächst als Dienstmädchen und kurzzeitig als Fabrikarbeiterin. Von 1896 bis 1898 war sie in der Krankenpflege tätig. Anschließend absolvierte sie eine Lehre zur Schneiderin. In diesem Beruf war sie bis 1913 tätig. Während des Ersten Weltkrieges von 1914 bis 1918 arbeitete sie zusammen anderen in der Heimarbeitszentrale und war Mitglied der sog. Lebensmittelkommission.

Als es 1917 zur Spaltung der Sozialdemokraten und zur Gründung der USPD kam, erhielt Marie Juchacz, die bei den Mehrheitssozialdemokraten blieb, die Stelle als Frauensekretärin im Zentralen Parteivorstand, die Clara Zetkin verlor, und übernahm die Redaktionsleitung der Frauenzeitung "Gleichheit".

Marie Juchacz gründete am 13. Dezember 1919 die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und war bis 1933 ihre erste Vorsitzende. Unter ihrer Leitung und durch die engagierte Arbeit vor allem von Frauen auf allen Ebenen war die Organisation schnell überall in Deutschland erfolgreich. Der zentrale Gedanke war die solidarische Selbsthilfe der ArbeiterInnen statt gönnerhafter Wohlfahrt durch bürgerliche Organisationen.

1933 bedeutete ein abruptes Ende dieser erfolgreichen Aktivitäten. Juchacz mußte vor den Nazis fliehen, erst nach Frankreich, dann 1941 mit einem Notvisum in die USA. Aber selbst in den schwierigen und gefährlichen Jahren des Exils fand sie noch Möglichkeit zu helfen. In Frankreich organisierte sie Mittagstische für EmigrantInnen und später in New York baute sie die „Arbeiterwohlfahrt USA - Hilfe für die Opfer des Nationalsozialismus" auf.

Schon 1919 war sie die erste Frau gewesen, die in einem deutschen Parlament, der Weimarer Nationalversammlung, das Wort ergriffen hatte. Sie hatte die Freiheit und Gleichberechtigung der Frauen eingefordert und die Sozialpolitik zur Hauptaufgabe der Frauen erklärt. Als Abgeordnete setzte sie sich vor allem für Kinder- und Jugendgesetzgebung, fortschrittliche Wohlfahrtsgesetze und für Frauenrechte ein. So verfocht sie die Straffreiheit bei Abtreibungen im ersten Trimester und sprach 1926 vor dem Parlament von den seelischen Konflikten der Arbeiterfrauen, die aus Verantwortungsgefühl und Verzweiflung abtreiben.

1932, als sie als einzige Frau in die Debatte um die Reichspräsidentenwahl eingriff, formulierte sie:

"Die Frauen ... wollen keinen Bürgerkrieg, wollen keinen Völkerkrieg... Die Frauen ... durchschauen die Hohlheit einer Politik, die sich als besonders männlich gibt, obwohl sie nur von Kurzsichtigkeit, Eitelkeit und Renommiersucht diktiert ist. Dieser Politik, der nationalsozialistischen Politik, mit allen Kräften entgegenzutreten, zwingt uns unsere Liebe zu unserem Volke..."

Seit 1949 wieder in Deutschland, begleitete sie als Ehrenpräsidentin den Wiederaufbau der AWO mit den letzten Kräften, die ihr geblieben waren.

Ihr zu Ehren wurden in mehreren Städten Straßen „Marie-Juchacz-Straße" oder „Marie-Juchacz-Weg" benannt. 2003 wurde sie mit einer 1-Euro-Briefmarke der Deutschen Post in der Serie Frauen der deutschen Geschichte

geehrt. Im Reichstagsgebäude ist ein Saal, in dem der SPD-Fraktionsvorstand tagt, nach ihr benannt. In Weimar sollte an die erste Frau, die eine Rede im Reichstag, damals tagend im DNT, hielt, würdig erinnert werden.

 

Quellen:

de.wikipedia.org/wiki/Marie_Juchacz

www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/marie-juchacz/