Große Anfrage: Wohnen in Weimar – bezahlbar, klimaneutral und gemeinschaftlich

30.10.23 –

Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Dies ist auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem UN-Sozialpakt verankert. Die Schaffung von passendem Wohnraum ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Klar ist dabei, dass es eine kluge Wohnungsförderpolitik von Land und Bund braucht. Doch auch den Kommunen kommt bei der Schaffung von adäquaten Wohnraum eine wichtige Rolle zu.

Das Recht auf Wohnen beinhaltet mehr als nur ein Dach über dem Kopf zu haben: Der Wohnraum muss eben auch angemessen sein. Ob er angemessen ist, bemisst sich an sieben Kriterien: gesetzlicher Schutz der Unterkunft, Verfügbarkeit von Diensten (wie Trinkwasser oder Energie), Bezahlbarkeit des Wohnraums, Bewohnbarkeit der Räume, diskriminierungsfreier Zugang zu Wohnraum, geeigneter Standort und kulturelle Angemessenheit (wie bestimmte Baumaterialien oder Raumaufteilungen).

Auch wenn der Zugang zu Wohnraum in Weimar verhältnismäßig gut ist, spannt sich die Lage zunehmend an. Für viele Menschen wird es in Weimar schwer, eine Wohnung in geeigneter Größe und Ausstattung zu bezahlbaren Preisen zu bekommen. Besonders trifft es Menschen in verletzlichen Lebenslagen, wie migrantisierte Personen, Suchtkranke, Menschen mit wenig Geld, aber auch Familien mit mehreren Kindern. Der Wohnungsmarkt steht gleichzeitig vor großen Herausforderungen durch steigende Baukosten, schrumpfende Flächenverfügbarkeit, energetische Sanierungen sowie Spekulation mit Grundstücken oder Wohnimmobilien.

Aber auch geänderte gesellschaftliche Anforderungen wie die steigende Zahl von Singlehaushalten, die älter werdende Bevölkerung, steigende Wohnfläche pro Kopf und das Bedürfnis nach gemeinschaftlichem Wohnen wirken sich auf den Wohnungsmarkt aus. Weimar hat hierbei mit der Weimarer Wohnstätte, der rund ein Drittel der Wohnungen in Weimar gehören, große Einflussmöglichkeiten. Doch auch darüber hinaus gibt es politische Handlungsmöglichkeiten, um auch in Zukunft bezahlbares, sozial gerechtes und klimaneutrales Wohnen in Weimar zu garantieren. Dafür bedarf es einer Wohnstrategie, die mehr umfasst als reine Wohnungsbaupolitik. Möglichst schnell ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ist dabei nur ein Aspekt unter mehreren.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fragt den Oberbürgermeister:

I. Verfügbarer Wohnraum

  1. Wie groß ist der durchschnittliche Pro-Kopf-Wohnraum in Weimar differenziert nach statistischen Bezirken, wie differenziert nach soziodemografischen Merkmalen (Altersgruppen, Familienstand, Anzahl der Kinder, Behinderungen etc.)?
  2. Wie haben sich die Kaltmieten in Weimar seit 2013 stadtweit aber auch in den statistischen Bezirken entwickelt (ditte differenziert nach Bestandsmieten, Neuvermietungen aufgliedern)?
  3. Wie hat sich die Zahl der belegungsgebundenen Wohnungen („Sozialwohnungen“) in Weimar in den Jahren seit 2018 entwickelt (Bitte in Jahresscheiben angeben)?
  4. Wie hat sich die Zahl der Empfänger*innen von Wohngeld seit 2018 entwickelt (Bitte nach Jahren aufgliedern)?
  5. Wie viele Wohnungen im Stadtgebiet werden als Ferienwohnungen oder über airbnb oder ähnliche Portale vermietet und stehen dadurch dem allgemeinen Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung? Falls dazu keine Angabe gemacht werden kann: Auf welcher Grundlage erfolgt die Schätzung der Zahlen von Übernachtungen in Ferienwohnungen bzw. Ferienzimmern oder vergleichbaren Unterkünften?
  6. Wie viele barrierearme und wie viele rollstuhlgerechte Wohnungen gibt es in Weimar (bitte nach statistischen Bezirken aufgliedern)? Wie ist hier die Entwicklung in den Jahren seit 2018? Wie hoch ist nach Kenntnis der Stadtverwaltung und der Weimarer Wohnstätte die Nachfrage in diesen Bereichen? Wie schätzt die Stadtverwaltung die Zielerreichung der beiden Unterziele zu Z-4 aus dem Wohnungsmarktkonzept 2019-2023 ein?
  7. Wie viele Wohnungen mit mehr als 3 Zimmern gibt es in Weimar (bitte nach Raumanzahl und statistischen Bezirken aufschlüsseln)?
  8. Wie bewertet die Stadtverwaltung den Ansatz von Inklusivmieten oder ähnlichen Mietmodellen?

II. Wohnungspolitische Weichenstellungen

  1. Wann wird die Aktualisierung des Wohnungsmarktkonzeptes vorgestellt? Wann wurde die Fortschreibung beauftragt? Wie wird der Einbezug der Öffentlichkeit gewährleistet?
  2. Wann wird die Stadtverwaltung – gemäß gesetzlicher Verpflichtung – einen Mietspiegel erarbeiten? Beabsichtigt die Stadt die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels? Falls nein, warum nicht?
  3. Welche Strategien verfolgt die Stadtverwaltung, um auch in Zukunft bezahlbares Wohnen in Weimar zu gewährleisten?
  4. Wie bewertet die Stadtverwaltung die derzeitige Arbeit des Forum Wohnen und welche Ansätze werden künftig hinsichtlich einer vernetzten Arbeit am Thema „Wohnen in Weimar“ verfolgt
  5. Welche Strategien verfolgt die Stadtverwaltung zur Förderung gemeinschaftlichen Wohnens, insbesondere für Familien?
  6. Welche städtischen Strategien gibt es hinsichtlich der Förderung von generationenübergreifenden Wohnformen?
  7. Welche Ansätze werden in Weimar hinsichtlich eines „demokratischen Wohnens“ verfolgt, bei dem Mieter*innen ein hoher Grad an Mitbestimmung und Mitwirkung an den Rahmenbedingungen des Wohnens gegeben wird?
  8. Welche Strategien werden hinsichtlich der besseren sozialen Durchmischung von Wohnvierteln, insbesondere den Großwohnsiedlungen verfolgt (Ziel Z-5 aus dem Wohnungsmarktkonzept 2019-2023)?
  9. Inwiefern besteht eine Kooperation mit umliegenden Gemeinden zur Verhinderung eines Ausweichens von Bautätigkeit, insbesondere für den flächenfressenden und verkehrsinduzierenden Neubau von Einfamilienhäusern?
  10. Welche Planungen der Stadtverwaltung gibt es zur Umsetzung der Netto-Null-Flächenversiegelung aus der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie?

III. Umbau und Qualität des Bestands

  1. In welchen Bereichen sieht die Stadtverwaltung eine besonders hohe Nachfrage nach Wohnraum, der nicht vollständig gedeckt werden kann (beispielsweise hinsichtlich Lage, Größe oder Ausstattung der Wohnungen)? Worauf beruht die Einschätzung? Welche Ansätze werden verfolgt, um diesem Mangel entgegenzuwirken?
  2. Welche Potentiale sieht die Stadtverwaltung in der Unterstützung von Wohnungstausch? Welche konkreten Schritte zur Einrichtung einer Wohnungstauschplattform sind geplant, ggf. auch in Kooperation mit anderen Kommunen?
  3. Wie bewertet die Stadtverwaltung den Ansatz von „Minimalsanierung“, um auch künftig Wohnen mit niedrigeren Ansprüchen und geringem Geldbeutel zu ermöglichen?
  4. Welche Pläne verfolgen Stadtverwaltung sowie Weimarer Wohnstätte mit der Wohnzeile am Zeughof in der Böttchergasse?
  5. Wie viele Gebäude in Weimar (absolut und relativ zum Gesamtbestand) erfüllen aktuell den Energieeffizienzstandard 55 (gemäß GEG 2023), wie viele liegen darüber? Wie viele Gebäude wurden seit 2018 für die Erreichung dieses Standards oder höher ertüchtigt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Welche Sanierungsquote strebt die Stadtverwaltung an, um die eigenen Klimaziele zu erreichen?
  6. Wie bewertet die Stadtverwaltung den Ansatz des „atmenden Wohnraums“, der je nach familienbiografischer Veränderung Anpassung der Wohnfläche und damit mehr Flexibilität in der Nutzung von Wohnraum ermöglicht? Welche konkreten Beispiele sowie Potentiale sieht die Verwaltung in der Umsetzung in Weimar?

IV. Neubau

  1. Wie viele offene Bauflächen mit Platz für wie viele Wohnungen/Wohneinheiten gibt es jeweils noch in welchen bestehenden Bbauungsplangebieten? Welche konkreten Potentiale auf Baubrachen gibt es darüber hinaus in Gebieten außerhalb von B-Plan-Gebieten?
  2. Von welchen Möglichkeiten hat die Stadtverwaltung seit 2018 Gebrauch gemacht, um private Bauherren von Mehrfamilienhäuser an den Kosten für soziale und verkehrliche Infrastruktur zu beteiligen? Welche Möglichkeiten bestehen darüber hinaus?
  3. Welche Vereinbarungen wurden seit 2018 mit privaten Bauherren von Mehrfamilienhäusern (nicht Weimarer Wohnstätte) zu wohnungsstrukturellen Zielen (beispielsweise Mietzins, Zimmeranzahl, Wohnungsgröße) getroffen (Bitte detailliert aufschlüsseln)? Falls keine Vereinbarungen getroffen wurden, warum nicht?
  4. Welche Planungen und Maßnahmen zur Einrichtung eines „Weimarer Baulandmodells“ gibt es, um Bauland strategisch zu bevorraten, zwischenzuerwerben und sozial gerecht zu vergeben (vgl. angenommene Drucksache 2019/110/A)? Wie bewertet die Stadtverwaltung in diesem Zusammenhang den Einsatz hoheitlicher Maßnahmen (wie Umlegung, Vorkaufsrecht), um Verfügung über Grundstücke zu erlangen?
  5. Wie bewertet die Stadtverwaltung eine mögliche Festsetzung eines verpflichtenden Anteils von sozialem Wohnraum bei jedem Neubauprojekt von Mehrfamilienhäusern, u. a. nach Beispiel von Erfurt?
  6. Welche Pläne werden durch die Stadtverwaltung bzw. die Weimarer Wohnstätte verfolgt, um eine Wiederbebauung des Wohngebiets Landfried zu erreichen? Wann wird eine Umsetzung stattfinden?
  7. Wie bewertet die Stadtverwaltung den Ansatz der Beteiligung der Stadt am Grundstückseigentum als Voraussetzung für die Schaffung von Baurecht für neue Wohnbauprojekte?

[Antwort der Stadtverwaltung steht noch aus, siehe Geschäftsordnung des Stadtrates Weimar, https://stadt.weimar.de/de/datei/download/id/16929,48/10_2_gostadtrat3.Ae.2023.pdf - §15 (5)]

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