Antrag: Resolution der Stadt Weimar zu TTIP und anderen Verträgen

Anfragen und Anträge, Gemeinsamer Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und weimarwerk bürgerbündnis, Stadtratssitzung am 10.06.2015

27.05.15 –

Gemeinsamer Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU  und weimarwerk bürgerbündnis, Stadtratssitzung am 10.06.2015


Die Stadt Weimar begrüßt, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA weiter ausgebaut werden soll und damit auch die wirtschaftliche Stärke Deutschlands sowie seiner Kommunen für die Zukunft gesichert wird. Allerdings birgt das derzeit verhandelte Freihandelsabkommen mit den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) sowie das bereits weitgehend ausgehandelte Abkommen mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) auch Risiken für die öffentliche Daseinsvorsorge, insbesondere im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung.

Der Stadtrat der Stadt Weimar appelliert daher an die Kommission der Europäischen Union, das Parlament der Europäischen Union, die Bundesregierung, die Thüringer Landesregierung, sich im Zuge der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP), des multinationalen Dienstleistungsabkommens Trade in Services Agreement (TiSA) sowie beim bereits weitgehend verhandelten Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) uneingeschränkt für die Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung, den Schutz und Fortbestand der kommunalen Daseinsvorsorge und der kommunalen Kultur- und Bildungspolitik einzusetzen.

Der Stadtrat der Stadt Weimar schließt sich vor diesem Hintergrund vollumfänglich dem gemeinsamen Positionspapier von Deutschem Städtetag, Deutschem Landkreistag, Deutschem Städte- und Gemeindebund sowie dem Verband der kommunalen Unternehmen e. V. vom Oktober 2014 zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen an.

Insbesondere spricht sich der Stadtrat der Stadt Weimar dafür aus,

  • dass die öffentliche Daseinsvorsorge im Rahmen einer Positivliste aus dem Freihandelsabkommen TTIP herausgenommen wird und zwar für den Marktzugang wie auch bei der Inländergleichbehandlung,
  • dass die nach langen Verhandlungen bei den EU-Vergaberichtlinien erreichten Erleichterungen für Inhouse-Vergaben, die interkommunale Zusammenarbeit sowie Bereichsausnahmen für Rettungsdienste und die Wasserwirtschaft nicht durch die Hintertür eines Freihandelsabkommens auch nur ansatzweise in Frage gestellt werden dürfen,
  • dass auf spezielle Investitionsschutzregelungen für Unternehmen verzichtet wird, da derartige Regelungen zum Investitionsschutz in Freihandelsabkommen zwischen Ländern mit ausgeprägter rechtsstaatlicher Tradition und ausreichendem Rechtsschutz vor nationalen Gerichten nicht notwendig sind,
  • dass die in der EU einheitlich oder national geltenden Standards, insbesondere zum Umwelt- und Verbraucherschutz, auf keinen Fall mit dem vorrangigen Ziel des Abbaus von nichttarifären Handelshemmnissen reduziert werden dürfen,
  • dass nicht nur das Europäische Parlament, sondern auch die Parlamente der 28 EU Mitgliedsstaaten in das Ratifizierungsverfahren der Freihandelsabkommen mit einbezogen werden müssen, da es sich bei TTIP und CETA um sog. gemischte Abkommen handelt, d. h. Abkommen, deren Inhalte über die Kompetenzen der EU hinausgehen und auch in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten fallen,
  • dass die kommunale Ebene, die auf nationaler Ebene in dem Beirat beim Bundeswirtschaftsminister vertreten ist, insbesondere auch an den bei der EU-Kommission bestehenden Beratergruppen beteiligt wird und
  • dass die vorbenannten Forderungen auch bei zukünftigen Verhandlungen mit anderen Staaten über Freihandelsabkommen berücksichtigt werden.




Begründung:

Derzeit wird hinter verschlossenen Türen und seitens der EU-Kommission nicht transparent eine „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) zwischen den USA und der EU verhandelt. Ziel des Abkommens soll die weitere umfassende Deregulierung und Liberalisierung von Handelsbeziehungen und Dienstleistungen sein. Auch die Bundesregierung wähnt sich auf der Zielgeraden und übt öffentlich Druck aus, das Abkommen zügig abzuschließen.

Die Unterzeichnung dieses Abkommens kann erhebliche Konsequenzen auch für die Kommunen und ihre Aktivitäten im Rahmen der Daseinsvorsorge nach sich ziehen. Die dort bisher noch festgeschriebenen Ausnahmeregelungen hinsichtlich des öffentlichen Versorgungsbereiches und der Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Finanzen, Verkehr oder Leiharbeit könnten aufgehoben werden.

Innerhalb dieser Megazone sollen die Regelungen von ausländischen Investoren aus ihrem eigenen Heimatland im Partnerland gelten. Fallen die Standards im Heimatland niedriger aus, dann müssen diese im Partnerland anerkannt werden. Handelsbarrieren wie z. B. Produkt- und Qualitätsstandards sollen abgebaut werden.

Das Verhandlungsmandat scheint, wie u.a. der bayerische Städtetag betont, auch kommunal relevante Handlungsbereiche, etwa das öffentliche Auftragswesen, Energiepolitik und Umweltschutz und sogar die Trinkwasserversorgung zu umfassen. Ein weiterer Kritikpunkt aber ist der sogenannte Investorenschutz, ein Sonderklagerecht für Unternehmen. Dieses soll erweitert werden, und für öffentliche Ausschreibungen soll das Prinzip der Inländerbehandlung festgeschrieben werden. Damit könnte einher gehen, dass sog. nichttarifäre Handelshemmnisse und Regulierungen massiv reduziert werden. Teil beider Abkommen soll ein spezielles Investorenklagerecht gegen Staaten sein, um ggf. Schadenersatz durchsetzen zu können. Klagegründe sind dabei nicht mehr nur Wettbewerbsbeschränkungen oder Enteignungen, sondern entgangene Gewinne aufgrund von Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien.

Die Klagen von ausländischen Konzernen wegen entgangener Gewinnerwartungen aufgrund von inländischen Hemmnissen werden vor Schiedsgerichten verhandelt, die nicht öffentlich tagen, deren Urteile aber völkerrechtlich verbindlich wären und gegen die es keine Revisions- bzw. Berufungsmöglichkeiten mehr gibt.

Mit dieser Resolution bekennt sich der Stadtrat zur kommunalen Selbstverwaltung und stärkt die Position des Städte- und Gemeindetages. Sie wurde in ähnlicher Form bereits von den Kommunalvertretungen vieler Kommunen verabschiedet (Bspw. Erfurt, Gera, Potsdam, Leipzig, Gotha.)

   



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