Rede zum TOP Ö 4.4 Haushaltsplan und Haushaltssatzung der Stadt Weimar für das Jahr 2021 - Drucksache 2021/042/V

Rede, Stadtratssitzung, 17.03.2021 Ann-Sophie Bohm, Fraktionsvorsitzende, für die Stadtratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

17.03.21 –

Rede, Stadtratssitzung, 17.03.2021

Ann-Sophie Bohm, Fraktionsvorsitzende, für die Stadtratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Damen und Herren,

der vorliegende Haushalt ist ein besonderer. Obwohl die Einnahmen durch Steuern durch die Pandemie deutlich sinken Mitten, können wir sogar mehr Einnahmen als 2020 verbuchen – das liegt ganz maßgeblich auch an der rot-rot-grünen Landesregierung. Dank der Hilfen kommen wir ohne größere Kürzungen durch diese schwierige Zeit. Trotzdem ist auch dieser Haushalt wieder auf Kante genäht – es gibt leider erneut keine freie Spitze. Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt ist gelinde gesagt verbesserungswürdig, der Anteil an Zuweisungen und Kostenerstattungen an den Einnahmen ist hoch. Dass Weimar ein Finanzproblem hat, ist schon lange bekannt – auch der Vorbericht des Haushaltes weist darauf hin. Weimar würde besonders von einer Gemeindefinanzreform profitieren, wie sie die Grünen im Bundestag fordern – mittels kommunaler Wertschöpfungssteuer könnten damit auch freie Berufe beteiligt werden. Auch der Anteil des Bundes an Sozialkosten wie KdU würde dann steigen.

Doch um Weimar leistungsfähiger zu machen braucht es mehr. Auch der Vorbericht spricht von einer notwendigen Hebung von Einnahmepotentiale. Rentable Investitionen könnten die eigene Entwicklung von Flächen sein – und damit meine ich nicht Gewerbegebiete, von denen Kommunen laut Studien kaum profitieren. Ich meine vielmehr Flächen wie das Merketal – doch die Stadtspitze entschied sich jüngst gegen eine eigene Vermarktung. Um Haushaltslöcher zu stopfen werden stattdessen immer wieder städtische Flächen und Gebäude verkauft, statt sie zu verpachten und so langjährige Einnahmen zu generieren.
Weimar, das muss mehr sein als Tourismus und Puppenstube – doch was? Das, was für den Haushalt spricht – er kommt ohne größere Kürzungen aus – ist zugleich auch sein größter Kritikpunkt: er verzichtet auf Prioritätensetzungen  und zelebriert das „Weiter-so“. Unklar bleibt: Was ist die Vision für Weimar? Sind Straßenbau und neue Gewerbegebiete die Antwort – innen hui, außen pfui? Innen Idylle, außen herum zubetonierte Gewerbegebiete und ein Autohof? Oberstes Ziel muss es doch sein, die ortsansässigen Wirtschaftsbetriebe zu erhalten und ein Ladensterben in der Innenstadt zu verhindern. Daher haben wir einen Corona-Hilfsfonds vorschlagen, der ortsansässigen Gewerbetreibenden, wenigstens mit kleinen Beträgen hilft,  eine Insolvenz durch Corona hoffentlich zu verhindern.

Natürlich gibt es auch lobenswerte Ansätze im Haushalt – eine Stabsstelle für Klimaschutz, die nun noch ausreichend Mittel braucht, ein neuer Landschaftsplan, die fortgesetzte Sanierung der Schulen. Vor allem zu nennen ist das kommunale Investitionsprogramm - dank Landesmitteln können wir die Stadt lebenswert erhalten  – mit Geld für „kleine Dinge“ wie Bäume und Bänke, für Blühwiesen und Radabstellanlagen. Wir erkennen an, dass der OB seine Zusage gehalten und diese Ausgaben auf unsere Anregung hin eingestellt hat. Im vorliegenden Änderungsantrag stellen wir nun sogar noch mehr Gelder für Bäume und Fahrradständer ein.

Doch in den großen Dingen braucht es eben mehr als das. Mut, um die Stadt vom hinteren Mittelfeld an die Spitze zu bringen. Und Entschlossenheit, um auch die Klimakrise zu bekämpfen. Um den Status Quo zu erhalten, müssen wir jetzt handeln - Weimar droht den Anschluss zu verlieren – das zeigt das schlechte Abschneiden städtischer Projekte in jüngsten Wettbewerben. Besonders auch von Ihnen, Frau Dr. Kolb, erwarten wir als frisch bestätigte Dezernentin stärkere Bemühungen für Klimaschutz und um die Mobilität der Stadt sicherer, leiser und umweltfreundlicher machen – und dafür braucht es eben die vielen kleinen Verbesserungen, die sie eben so belächelt haben, genauso wie das Umdenken im Großen. Es braucht zum Beispiel die beschleunigte Umsetzung des Radverkehrskonzeptes und die Schaffung der bereits beschlossenen Fahrradstraße. „Klotzen statt kleckern“ muss das Motto sein – Gelder stellen wir Ihnen mit dem Änderungsantrag bereit. Sie wissen, dass Sie in uns auch immer Partnerinnen finden für mehr Personal. Aus Existenzschutz brauchen wir auch mehr Bemühungen im Hochwasserschutz - durch eine komplette Renaturierung des EOW-Geländes inklusive Abriss der alten Villa – Platz für die Wirtschaft wollen Sie ja schließlich vor den Toren der Stadt schaffen. Unser erster Änderungsantrag zeigt, dass die Stadt Geld dafür hat, wenn sie will. Und wenn schon das Merketal entwickelt werden soll, müssen wenigstens die Ausgleichsmaßnahmen ins EOW-Gelände fließen und dort komplette Entsiegelung ermöglichen.

Genau 14 Tage standen zum Durcharbeiten dieser entscheidenden 1100 Seiten zur Verfügung. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung, insbesondere der Stadtkämmerei, für die schnelle Beantwortung unserer Fragen. Es ist in diesem Jahr gelungen, für Änderungen einen Kompromiss zwischen den Fraktionen zu finden – wir begrüßen das ausdrücklich und stehen auch zukünftig gerne für konstruktive Zusammenarbeit bereit. Auch wenn wir nicht alle Punkte teilen – es bleibt beispielsweise völlig unverständlich, warum SPD, Weimarwerk und CDU das neue Klimaschutzkonzept streichen wollen, obwohl sie es selbst letztes Jahr beschlossen haben. Nun stellen wir wenigstens Mittel für konkreten Klimaschutz bereit. Die Kompromissfindung wäre aber sicher leichter verlaufen, wenn der Haushalt allen Fraktionen gleichzeitig vorgelegen hätte.

Das Fazit zu diesem Haushalt fällt ambivalent aus: keine Kürzungen trotz Corona, mehr Geld für Radverkehr und Bäume, doch auch fehlende Vision und aus unserer Sicht manch falsche Entscheidung. Um moderne Politik zu machen, wie Weimar sie braucht, ist noch viel gemeinsame Arbeit nötig.  

 

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Haushalt und Finanzen | Reden