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04.10.19 –
Rede, Festakt zum Tag der deutschen Einheit, 03.10.2019
von Dr. Hans-Joachim Heuzeroth, Fraktionsmitglied und Stadtratsvorsitzender, zur Feierstunde des Oberbürgermeisters im Reithaus Weimar am 03. Oktober 2019
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Staatssekretär Götze, sehr geehrter Herr Staatssekretär von Ammon, sehr geehrter Herr Kemmerich (Mitglied des Bundestages), sehr geehrter Herr Geibert (Mitglied des Landtages), liebe Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates, meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer Feierstunde anlässlich des Tages der deutschen Einheit, im 30. Jahr des Mauerfalls.
Vor 30 Jahren im Mai, brachte die Fälschung der DDR-Kommunalwahl den Stein endgültig ins Rollen - das Ende der DDR war eingeläutet. In diesem Mai, 30 Jahre später, war wieder Kommunalwahl – eine freie Wahl. Ein Glück!
Wir hatten eine Wahlbeteiligung von 62 % - 12 % mehr als in 2014. Die Stadtgesellschaft ist also politisiert – und das ist richtig gut.
Im Stadtrat sind jetzt 8 Parteien inklusive eines Bürgerbündnisses. So eine Vielfalt war noch nie. Es gibt keine klaren Mehrheiten. Wir müssen also ernsthaft miteinander reden und uns einander zuwenden – vielleicht das Erfolgsrezept für die gesamte Republik.
Besonders im Osten wird gerade von einer Spaltung der Gesellschaft geredet. Hier - in unserer besonderen Stadt gilt es das - gemeinsam zu verhindern.
Drei kontroverse Themen sehe ich für den Herbst: den Stadt-Haushalt 2020 - seine Diskussion steht an, der Umgang mit dem Thema Klimaschutz - zugeschnitten auf Weimar und die Initiative „sicherer Hafen“ – der deutschlandweit bisher 101 Städte beigetreten sind, neben unserer Partnerstadt - Trier u.a. auch Hamburg, Berlin und München.
Zu diesen Themen wird es gemeinsam mit Peter Kleine, unserem Oberbürgermeister - überfraktionelle Gespräche geben und am Ende – hoffentlich - Konsens.
Der OB wird nachfolgend auf die friedliche Revolution eingehen. Ich möchte einem anderen Gedanken folgen, mich einem Jahrestag widmen – einem von den vielen Bedeutenden in diesem Jahr - einem eher Vergessenen. Der aber unseren heutigen Feiertag erst ermöglichte.
Ende August vor 25 Jahren hat der letzte russische Soldat - Deutschland verlassen. Weimar selbst war bereits ab 21. November 1992 frei von russischen Kampfverbänden. Diese Ereignisse sind gerade in den Zeiten, wo wir „Ostdeutschen“ auf unsere ganz eigene Identität und Geschichte verweisen, Erinnerungswert. Sie sind mit großer Ambivalenz und widerstreitenden Gefühlen verbunden, wie so vieles in unserer jüngeren Geschichte.
Aber - es ist unsere Geschichte, und damit - untrennbar – jetzt - und für immer – gesamtdeutsche Geschichte. Fast 50 Jahre war die „rote Armee“ hier. Aber - sie ist fort – schon wieder 25 Jahre. Für mich ist das ein Wunder! Jahrzehnte hat sie zu unserem Alltag gehört. Mehr als die Hälfte meines Lebens.
Ich erinnere an endlose Kolonnen von Armeefahrzeugen, an die zwei „Russenmagazine“ hier – wo es auch schon mal Bananen gab, so etwas, wie ein Intershop-Ersatz für Menschen ohne die so begehrte West-Mark, ich erinnere an Soljanka, natürlich - reichlich Wodka und russische Lieder - wie - „Kakalinka maya“ – übrigens kein Kampflied, sondern schon 1860 als Liebeslied entstanden.
Drei Superlative verbinden sich mit dieser gemeinsamen Zeit. Zwei machen eher Bauchschmerzen, als dass man sich erinnern möchte. Noch niemals stand eine fremde Armee, so lange in einem anderen Land - und auch noch nie - so massiv bewaffnet!
Aber nun der 3. und erfreuliche Superlativ: Noch niemals - ist in Friedenszeiten eine solch große, schwer bewaffnete Armee - inklusive Atomraketen - so schnell und unproblematisch - fast geräuschlos – wieder verschwunden.
1945 begann die Besatzung mit 1,5 Millionen Mann. Am Ende waren es noch etwa 550.000. Hier in Weimar und Nohra lag die 8. Gardearmee – die Stalingrad verteidigte, Berlin eroberte und 1992 wieder zurück nach Russland ging und dort aufgelöst wurde.
Im nächsten Jahr begehen wir den 75. Jahrestag des Kriegsendes. Ich denke, eine gute Chance für neue - weimarisch - russische Kontakte.
Was können wir tun? – Die große Politik können wir nicht beeinflussen. Aber vielleicht geht etwas von Mensch - zu Mensch – von Stadt zu Stadt.
Es gab schon mal Kontakte zu St. Petersburg. Ideen - wären z.B. eine Städtepartnerschaft, eine Städtefreundschaft oder die Möglichkeit von Bürgerreisen – ein Format, mit dem wir hier in Weimar sehr gute Erfahrungen haben.
Das Einfachste wäre es - z.B. oben vor unserem Bahnhof, im Schaukasten, die vorhandene englische Begrüßung, um die Russische zu ergänzen. „DOBRO PoSCHALOWAT(CH)!“ – „Herzlich Willkommen!“ Ich sehe da ein großes - menschliches, friedensstiftendes – aber auch touristisches und wirtschaftliches Potential.
Über die 5 Jahrzehnte waren viele Millionen Russen hier in Ostdeutschland für Weimar entsprechend weit über 100.000, bei etwa 10.000 Soldaten – am Standort. Für viele von ihnen war es etwas ganz Besonderes hier zu sein. Das ist ein Pfund!
Und gerade Weimar hat ja noch ganz andere Bezugspunkte zu Russland. Ich erinnere - natürlich - an die russische Großfürstin Maria Pawlowna, spätere Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach. Nach der Niederlage Preußens - 1806 verhinderte sie Napoleons Ambitionen das hiesige Herzogtum zu zerschlagen. Geholfen hat ihre Beziehung zum russischen Zaren, Alexander dem I. – ihrem großen Bruder. Ihr familiärer Einfluss auf dem Wiener Kongress 1814/15 – ließ auch das neue Großherzogtum entstehen. Und ihre Großmutter wiederum - Katharina die Große, hat damals die sogenannten Wolgadeutschen nach Russland geholt - u.s.w., u.s.f. Eine lange wechselhafte Beziehung von fast 1000 Jahren.
Bei der Verabschiedung 1992 in Weimar sagte der damalige OB Klaus Büttner, dass die bis dahin - nur verordnete Freundschaft, jetzt zu echter Freundschaft werden könne. Und er sprach den Wunsch an die Abziehenden aus, dass viele von ihnen als Freunde und Gäste nach Weimar zurückkommen mögen.
Lassen Sie uns das nach 25 Jahren wieder aufgreifen. Lassen Sie sich inspirieren! Ideen sind willkommen …
Abschließend ein Zitat vom ehemaligen Berliner Senator für Stadtentwicklung - Volker Hassemer. Er sagte: „Berlin hat die Lizenz, Bedeutendes zu tun.“ Ich bin davon überzeugt – auch Weimar hat - genau diese Lizenz – Bedeutendes zu tun.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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