Offener Brief an den Bundesverkehrsminister sowie die Verkehrspolitiker des Bundes, Thüringens und Sachsens durch die Aktionsbündnisse "Nächster Halt: Weimar!" und "Geraer Bündnis für Schienenfernverkehr"

Pressemitteilung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weimar mit Aktionsbündnis „Nächster Halt: Weimar!“

01.06.15 –

Pressemitteilung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weimar mit Aktionsbündnis „Nächster Halt: Weimar!“


Nächster Halt: Weimar – Jena – Gera – Chemnitz

Betreff: Die Umstellung des ICE-Verkehrs auf den Knoten Erfurt erfordert den vollständigen zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung von Düsseldorf bis Chemnitz
Weimar, den 01.06.2015

Sehr geehrter Herr Bundesminister Dobrindt, sehr geehrte Frau Ministerin Keller, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete in den Verkehrsausschüssen des Bundes, des Landes Thüringen und des Freistaats Sachsen,

der Bundesverkehrswegeplan 2015-2030 (BVWP) steht kurz vor Beschlussfassung durch den Deutschen Bundestag. Es zeichnet sich ab, dass auch im neuen Plan – 26 Jahre nach der Wende – weite Teile Ostdeutschlands vom Fernverkehr abgehängt bleiben. Entgegen den früheren Aussagen der Deutschen Bahn, nach der Inbetriebnahme des ICE-Knotens Erfurt und der damit verbundenen Beschleunigung der Nord-Süd-Achse auch auf der Ost-West-Achse, der so genannten „Mitte-Deutschland-Verbindung“ (MDV) von Düsseldorf nach Chemnitz, moderne IC-Zugpaare rollen zu lassen, bricht sie in ihrem kürzlich vorgestellten neuen Fernverkehrskonzept dieses Versprechen. Frühestens ab 2032 sollen moderne Doppelstock-IC-Züge bis nach Chemnitz fahren, und das auch nur, wenn die Strecke vorher komplett zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert worden ist. Vage werden als Übergangslösung drei IC-Zugpaare mit einer Diesellok-Umspannung in Erfurt ab 2018 avisiert, so die aktuelle Aussage des Bahnbevollmächtigten für Thüringen, Volker Hädrich, auf der ICE-Knotentagung Anfang Mai 2015 in Erfurt.

Einzig der zweigleisige Lückenschluss der MDV (ohne Elektrifizierung!) zwischen Weimar und Jena/Stadtroda wird derzeit realisiert. Im aktuell gültigen BVWP 2003ff. ist der weitere zweigleisige Ausbau bis Gera als nicht prioritär unter „Weiterer Bedarf“ (Punkt 9) eingeordnet, ganz zu schweigen von der Elektrifizierung zwischen Weimar, Gera und Gößnitz/Lehndorf. Durch das gänzliche Fehlen der „Bezugsfall“-Regelung und des vordringlichen Bedarfs für den Ausbau im BVWP steht der weitere Ausbau der MDV in den Sternen. Eine durchgängige Elektrifizierung ist momentan sogar noch unwahrscheinlicher, da das Land Thüringen nach eigenem Bekunden hier nur auf EFRE-Mittel zurückgreifen kann und der größte Teil der Finanzierung in Höhe von insgesamt rund 85 Mio. € aus Mitteln des Bundes sowie Eigenmitteln der Deutschen Bahn AG kommen müsse.

Im BWVP 2003ff. ist nur unter „ferner liefen“, dem Punkt 159 der „zu untersuchenden Vorhaben“, eine müde Maßnahmenbeschreibung zu finden: „2-gleisiger Ausbau Weimar - Gera und Elektrifizierung Weimar - Gera - Gößnitz/Lehndorf". Völlig offen bleibt, ob diese Untersuchung finanziert wird, nicht zu sprechen von einer potentiellen Realisierung.

Ab dem Winterfahrplan 2015/16 gehören durch die Fertigstellung des VDE 8.2 schon jetzt die ICE-Direktverbindungen der Kulturstadt Weimar nach Frankfurt oder nach Berlin der Vergangenheit an. Maximal in Tagesrandlagen ist noch mit dem Halt einzelner ICE zu rechnen. Wenn nun auch die ursprünglich bereits für das Jahr 2016 (!) als Kompensation in Aussicht gestellten IC-Zugpaare nur dann am Kulturbahnhof in Weimar halten, wenn die MDV weiter ausgebaut ist, droht sich der touristische Aufwärtstrend der Kulturstadt umzukehren. Großen Schaden nimmt auch der Wissenschafts-, Forschungs- und Industriestandort Jena. Ebenso bleiben die für Ostdeutschland wichtigen Mittelstädte und Oberzentren Gera, Zwickau und Chemnitz aus Richtung Westen vom Fernverkehr auf direktem, bequemem Wege dauerhaft abgehängt.

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Bahnbündnisse in Weimar und Gera fordern eine Einordnung der Elektrifizierung der MDV in den vordringlichen Bedarf des neuen Bundesverkehrswegeplans. Eine Priorisierung des vollständigen zweigleisigen Ausbaus und der Elektrifizierung ist aus Sicht der Bündnisse zwingend erforderlich. Außerdem fordern wir die Verkehrspolitiker des Landes Thüringens auf, sich für ein schnelles Planfeststellungsverfahren für eine durchgängige Elektrifizierung zwischen Weimar und Gößnitz einzusetzen. Thüringen sollte hier in Vorkasse gehen. An die Verkehrspolitiker des Freistaats Sachsen appellieren wir, sich für den zweigleisigen Ausbau der MDV bis nach Chemnitz stark zu machen.

Dieser MDV-Ausbau weist eine sehr gute Kosten-Nutzen-Bilanz auf: Naturräumliche Eingriffe bleiben überschaubar, die Strecke ist güterverkehrstauglich, und es sind kaum Bürgerproteste gegen den Ausbau zu erwarten – im Gegenteil. Hinzu kommen die günstigen strukturellen Wirkungen auf der gesamteuropäischen Schienenachse zwischen Paris und Wroclaw, die direkte Verbindung großer Ballungsräume und die Anbindung abgekoppelter Mittelstädte. Eine ausgebaute und elektrifizierte MDV ist eine wichtige West-Ost- und Ost-West-Schlagader, auch für vernetzte regionale Mobilitätssysteme aus Bus und Bahn.

Mit freundlichen Grüßen

Rica Braune, Jan Kreyßig, Matthias Altmann und Andreas Leps für das Aktionsbündnis „Nächster Halt: Weimar!“
und Dieter Hausold (MdL) für das Geraer Bündnis für Schienenfernverkehr

(Zur Kenntnis:Der Brief ist außerdem per Post an den Bundesverkehrsminister, die Thüringer Infrastrukturministerin Keller sowie die Abgeordneten in den Verkehrsausschüssen des Bundes und der Länder Thüringen und Sachsen verschickt worden.)

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Pressemitteilung Weimar KV | Verkehr