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27.04.16 –
Rede, 27.04.2016 – Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Andreas Leps
Es gilt das gesprochene Wort.
Frau Vorsitzende, Herr Oberbürgermeister, liebe Gäste, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
ich bin froh, dass ich nicht schon am letzten Wochenende oder gar das Wochenende davor angefangen habe, mir Gedanken darüber zu machen, was ich hier sage.
Es wäre etwas oder völlig anders gewesen. Ich hätte womöglich über die Ablehnung des Haushaltes reden müssen, auch das wäre möglich gewesen.
Als ein rhetorischer Kniff zum Einstieg in eine Rede wird ja häufig ein Zitat gewählt:
Ich habe auch eins – von George Bernard Shaw:
"Es stimmt, dass Geld nicht glücklich macht. Allerdings meint man damit das Geld der anderen."
Passt das auf unsere Situation? Ich meine Ja.
Wir haben es hier mit dem wichtigsten Beschluss zu tun, den der Stadtrat in diesem Jahr fasst – es ist in Zahlen gegossene Politik – der Haushalt.
Wobei ich schon jetzt die Hoffnung äußere, dass wir noch in diesem Jahr über einen weiteren Haushalt, den des nächsten Jahres entscheiden. Die Unsicherheit, die erzeugt wird, solange es keinen beschlossenen Haushalt gibt, ist für alle Beteiligten kontraproduktiv. Das trifft ja nicht nur die Menschen, die ein Sozialticket benötigen, was sie ab morgen bekommen könnten, einen Beschluß des Haushaltes vorausgesetzt, sondern z.B. auch die Vereine, die in der Luft hängen, deren Verträge mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern quasi hinfällig sind, die aber trotzdem z.B. ihre Mietverträge weiterhin bedienen müssen.
Das trifft auch jene Investitionen, die wir als Stadt voranbringen wollen. Die Jährigkeitsfalle eines Haushaltes führt dann dazu, daß manche Investitionen ausfallen müssen, weil z.B. es nicht mehr umsetzbar ist.
Die vorläufige Haushaltsführung hat auch Vorteile, zumindest für alle diejenigen, die das Geld, das Geld der anderen, nicht ausgeben wollen oder dürfen, aus den verschiedensten Gründen, auch aus Sparzwängen heraus.
Aber ich glaube, es besteht Einigkeit, das eine haushaltslose Zeit kein Zustand ist, den wir anstreben wollen.
Der letzte Haushalt, der pünktlich beschlossen wurde, war übrigens meines Erachtens der für das Jahr 2014. Das könnte aber auch mit den anstehenden Wahlen in dem Jahr zu tun gehabt haben.
Wo wir gerade dabei sind -
Bei Wahlen und dem sicher undankbaren Thema Steuererhöhungen – undankbar besonders für den, der den Vorschlag unterbreiten muß, und undankbar für die, die zustimmen müssen.
Ein Kardinalfehler der Haushalte vor 2015 bestand ja eben genau darin, dass Steuererhöhungen offenbar nicht mal erwogen wurden.
Jedenfalls wurde für den Haushalt 2012 nichts derartiges vom Oberbürgermeister vorgeschlagen – ach ja, da waren Wahlen und er wollte wiedergewählt werden. 2013 waren dann Bundestagswahlen. 2014 Kommunal- und Landtagswahlen.
Diese - extreme Vorsicht - hat auch dazu geführt, dass wir in diesem Jahr über einen so arg drastischen Vorschlag zur Steuererhöhung diskutieren mussten.
Ihr Kollege Bausewein in Erfurt war da mutiger, oder ehrlicher, je nach Sichtweise. In Erfurt wurden 2014 die Steuern erhöht und die Partei des Oberbürgermeisters hat einen großen Sieg bei den Kommunalwahlen eingefahren. Aber das nur nebenbei. Und nur, weil das Haushaltsjahr 2014 in Weimar mit einem Millionendefizit abschloss.
Im letzten Jahr haben Sie uns dann eine Erhöhung der Steuersätze vorgeschlagen. Die Koalitionsfraktionen haben gezeigt, daß der Haushalt auch ohne diese Erhöhung funktioniert.
Der Oberbürgermeister hat uns dann gezeigt, dass er mit Haushaltssperren umgehen kann und dadurch ungeliebte Posten im Haushalt doch nicht umsetzen muss und außerdem auch noch drei zusätzliche Millionen in dem Haushaltsjahr drin waren, um die Löcher aus den Vorjahren zu stopfen. Das haben wir zur Kenntnis genommen.
Wir haben als Stadtrat auch zur Kenntnis genommen, dass wir immer wieder mal mit Notwendigkeiten konfrontiert werden, die dann auch ganz dringend vom Oberbürgermeister per Eilentscheidung und damit am Stadtrat vorbei korrigiert werden müssen.
Da ist viel Potenzial für Verbesserungen, vor allem Verbesserungen im Miteinander.
Die böse Koalition hat in diesem Jahr, wie ich meine - eindrucksvoll - bewiesen, dass wir an einem Miteinander nicht nur interessiert waren, sondern dies auch eingeleitet haben.
Denn die Einladung zum ersten Gespräch zu einer Verständigung über den Haushalt an den Oberbürgermeister kam von der Koalition, wir haben einen sowieso geplanten Termin mit meiner Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN genutzt.
Vielen Dank, das das kurzfristig geklappt hat.
Wo wir beim Dank sind – Dank gilt allen, die diese Einigung für den diesjährigen Haushalt in zahlreichen Stunden Arbeit möglich gemacht haben – Räte aller Fraktionen und Verwaltung, die Betroffenen wissen, wen ich meine.
Es waren anstrengende aber offensichtlich nicht fruchtlose Stunden. Ich hoffe, daß dieser neue Stil des Miteinanders – der Fraktionen untereinander und mit der Stadtverwaltung - noch eine ganze Weile anhält. Wir tragen alle Verantwortung für das Geld der anderen – der Einwohnerinnen und Einwohner dieser Stadt.
Deswegen an dieser Stelle auch Ihnen hier ein Dank – Es ist ihr Geld, über das wir hier entscheiden.
Kommen wir zum konkreten -
Jede Fraktion musste sich bewegen – das bringt ein Kompromiss nun mal mit sich.
In unserer Partei haben wir exemplarisch alle Richtungen - es gibt Leute, denen die Steuererhöhungen weh tun, und jene, denen es nicht weit genug geht. Es gibt Kritik an der einen oder der anderen notwendigen Kürzung, die wir trotzdem mittragen werden.
Es gibt natürlich auch viele Fragen, insbesondere zum Beitragsfreien Kindergartenjahr. Wie können wir Grüne – als Erfinder der speziellen Weimarer Richtung – das jetzt abschaffen?
Gegenfrage – wer, wenn nicht wir, gerade weil wir das in der Art und Weise durchgesetzt haben?
Das Beitragsfreie Kindergartenjahr wurde seinerzeit - 2008 – eingeführt, um primär eine Lücke zu schließen, eine Lücke zwischen der Bundes- und der Landesförderung, seinerzeit noch euphemistisch "Erziehungsurlaub" genannt. Zur Wahl stand seinerzeit auch die Förderung des letzten Jahres in der Kita.
Daneben wollten wir mehr Kinder unter 3 Jahren in die Einrichtungen bringen, also Bildung fördern, und natürlich – die Familien selbst finanziell entlasten.
Ziel 1 war obsolet mit der Änderung der Landesförderung 2010. Ziel 2 war entfallen mit der Einführung eines Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz für alle Thüringer Kinder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres.
Seit Ende 2010 ist das beitragsfreie Kindergartenjahr praktisch und ausschließlich eine Maßnahme zur Förderung von Familien - aber ohne spezifische Lenkungswirkung – geworden.
Es ist aber keine Sozialpolitik, das war nie intendiert und ist es auch faktisch nicht. Es fördert eben nicht nur die Familien mit den schmalen Geldbeuteln, sondern eben alle, auch jene, die sich einen Kindergartenplatz gut leisten könnten.
Deswegen – und nicht erst seit gestern – werden wir hier Änderungen vornehmen:
- wir wollen die pauschale Förderung aller Familien für nur ein Jahr beenden zugunsten einer weiteren Entlastung aller Familien mit geringem Einkommen für alle Kindergartenjahre.
Das ist soziale Politik übrigens. Den Antrag haben wir mit den Koalitionspartnern im September letzten Jahres eingereicht.
Wir gehen auch davon aus, dass es auf Landesebene die Einführung eines beitragsfreien Kindergartenjahres geben wird. Alle Signale deuten hier auf das letzte Jahr. Alle Familien, die ab Sommer nicht mehr von dem beitragsfreien Jahr in Weimar profitieren können, werden damit vom Landesjahr profitieren, manche Familien werden das Glück haben, zweimal zu profitieren.
Und das ist auch richtig so: Wenn Kindergärten Bildungseinrichtungen sind, und das sehen wir so, dann ist es grundgesetzlich zugewiesene Länderaufgabe, diese auch zu finanzieren – und eigentlich nicht die Kommunen.
Zum Positiven:
Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben, wie immer, Änderungswünsche für den Haushalt erarbeitet. Diese sind in die Änderungsdrucksache der Verwaltung eingeflossen.
Wir haben angeregt, die Kürzungen beim Bürgerbündnis gegen Rechts zurückzunehmen, bei Umweltverbänden, bei den Schulausstattungen, beim Unterhalt für Grünflächen, Parks und Spielplätzen oder Radwegen. All das wird sie nicht komplett überraschen.
Mit anderen Punkten wie u.a. der erneuten Berücksichtigung einer Verbraucherberatungsstelle konnten wir uns nicht durchsetzen.
Im investiven Bereich wollen wir dieses Jahr mehr in Radabstellanlagen, Spielplätze und die Stadtmöblierung investiert sehen. Die letzten zwei Punkte sieht der Gutachter für das Innenstadt-Einzel-Handels-Konzept übrigens auch so. Wir hätten noch andere Ideen, z.B einen Haltepunkt der Bahn am Waldschlößchen – aber es ist, wie es ist, das Geld ist nicht im Überfluss vorhanden.
Womit wir bei den Schwierigkeiten des Haushaltes sind:
- Eine Balance von Einnahmen und Ausgaben ist noch lange nicht gegeben. Seit Jahren fordern wir ein Konzept zur Haushaltskonsolidierung und zum Personaleinsatz. Da scheint sich nun etwas zu bewegen. Es wird Zeit.
- Wir fahren immer noch die städtische Infrastruktur auf Verschleiß. In den laufenden Erhalt von Gebäuden, Radwegen, Spielplätzen und ja – auch und gerade Straßen – fließt zu wenig Geld. Wir fordern hier ein Werterhaltungsprogramm, auch das hat sich in dem Begleitantrag niedergeschlagen.
- Und: Hände weg von den kleinen feinen Sachen, die Weimar lebens- und liebenswert machen.
Zum Ende hin soll man ja noch was positives bringen:
- Also nochmal vielen Dank an die Kämmerei. Die Zusammenarbeit war wohltuend. Der neue Wind möge uns noch lange erhalten bleiben und auch auf andere Teile der Verwaltung überschlagen.
- Ebenso vielen Dank an die an dem gefundenen Kompromiss Beteiligten aus den Fraktionen. Das waren viele Stunden Nerven und harte Arbeit. Den kooperativen Stil schätze ich deutlich mehr als den vorherigen konfrontativen.
Denn – und das zeigt ja auch der Begleitantrag, die Drucksache 87, deutlich, die eigentliche Arbeit bei der Konsolidierung der städtischen Finanzen fängt erst an. Und ich weiß nicht, ob man sich darauf freuen sollte.
Es gilt aber, und dafür wurden wir gewählt, Verantwortung zu übernehmen: Machen wir gemeinsam das Beste für unsere Stadt daraus. Bündnis 90/DIE GRÜNEN werden daher dem Haushalt in der neuen Fassung zustimmen.
Das ist nicht leicht, aber notwendig.
Vielen Dank.
Andreas Leps, Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Weimarer Stadtrat
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