Anfrage: Gewaltschutz für Frauen aus anderen Gebietskörperschaften

Anfragen und Anträge, Gemeinsame Anfrage der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE, eingereicht zur Stadtratssitzung am 26.01.2022

25.11.21 –

Anfragen und Anträge, Gemeinsame Anfrage der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,  SPD und DIE LINKE, eingereicht zur Stadtratssitzung am 26.01.2022

Den Fraktionen der Parteien SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE im Weimarer Stadtrat ist bekannt geworden, dass im Frauenhaus Weimar keine Frauen mehr aus anderen Gebietskörperschaften zum Zwecke des Gewaltschutzes aufgenommen werden sollen. Gerade im Sinne eines effektiven Gewaltschutzes kann es aber durchaus sinnvoll für betroffene Frauen sein, in einer anderen Stadt unterzukommen. Insofern sind auch Weimarer Gewaltbetroffene auf die Bereitschaft anderer Kommunen angewiesen, dass ein Austausch zumindest im Rahmen des Bundeslandes möglich bleibt. Denn eine dauerhafte Entscheidung der Stadt Weimar, nur noch Weimarerinnen aufzunehmen, bedeutet die einseitige Aufkündigung der Teilhabe der Stadt am wechselseitigen Austausch von Frauenhausplätzen unter den Gebietskörperschaften.
Deshalb fragen die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE:

  1. Auf welcher Grundlage wurde festgelegt, keine Frauen aus anderen Gebietskörperschaften mehr aufzunehmen und wie lange soll der Aufnahmestopp gelten?
  2. Wie wird gewährleistet, dass gewaltbedrohte Frauen trotzdem Hilfe erhalten?
  3. Ist die Entscheidung mit dem Mittelgeber - dem Freistaat Thüringen - in dieser Form abgestimmt? Warum konnte keine Einigung gefunden werden, die sich nicht auf die Optionen gewaltbetroffener Frauen auswirkt?
  4. Welche Rahmenbedingungen müssten sich aus Sicht der Stadtverwaltung ändern, um Frauen auch aus anderen Gebietskörperschaften als Weimar aufzunehmen?

 

Die Antworten der Stadtverwaltung in der Stadtratssitzung am 26.01.2022:

Frage 1: Auf welcher Grundlage wurde festgelegt, keine Frauen aus anderen Gebietskörperschaften mehr aufzunehmen und wie lange soll der Aufnahmestopp gelten?
Antwort:
Zunächst sei darauf verwiesen, dass es grundsätzlich keine rechtliche Verpflichtung der Kommune gibt, ein Frauenschutzangebot vorzuhalten. § 1 Abs. 3 ThürFHFöVO (Thüringer Frauenhausförderverordnung) beschreibt, dass es ein am tatsächlichen Bedarf im Rahmen der kommunalen Pflichtaufgaben (insbesondere §§ 35,67, 68 SGB XII) orientiertes Angebot an Frauenhäusern und – schutzwohnungen geben soll. Es wurde explizit keine Pflicht zur Vorhaltung von Kapazitäten in Frauenhäusern oder –schutzwohnungen gesetzlich geregelt. Für das Vorhalten eines entsprechenden Angebotes gibt es unter den Voraussetzungen des § 3 ThürFHFöVO Zuwendungen vom Land.
Weimar hat sich für ein eigenes Frauenschutzangebot entschieden. In anderen Städten bestehen mittlerweile kooperative Finanzierungen. So ist bspw. das Frauenhaus in Erfurt (24 Plätze) auch für den Ilmkreis und den Landkreis Sömmerda zuständig und Jena (16 Plätze) auch für den Saale – Holzlandkreis.
Die Angebote gehören zur kommunalen Infrastruktur und somit steht der Zugang auch erst einmal für die Bürgerinnen der jeweiligen Kommune im Vordergrund.
In Weimar werden derzeit 13 Plätze finanziert. Das entspricht einem Platz pro 5.000 EinwohnerInnen, wobei die EU Richtlinie ein Verhältnis von 1 zu 7.500 empfiehlt. Internationale Empfehlungen gehen von einem Wert von 1 zu 10.000 aus.
Mit diesem Verhältnis nehmen wir in Thüringen mit Abstand den Spitzenwert ein, denn bspw. liegt für Erfurt das Verhältnis im Jahr 2020 bei 1 zu 11.912.
Dennoch waren im Jahr 2020 nur 34,8% der Plätze mit Weimarer Frauen und ihren Kindern belegt. Im Jahr 2019 lag der Wert noch bei 50 %.
Gleichzeitig konnten Weimarer Frauen auf Grund der belegten Plätze nicht aufgenommen werden.
Vor dem Hintergrund dieser Situation und der Einführung des Fachkonzeptes der Sozialraumorientierung, welches die soziale Eingebundenheit nicht nur von Kindern und Jugendlichen,
sondern von Allen befördern soll, haben wir uns als Kommune dazu entschieden, das künftig in erster Linie Frauen und Kindern aus Weimar der Zugang niedrigschwellig ermöglicht werden soll. Das bedeutet jedoch nicht, dass Frauen aus anderen Gebietskörperschaften im Falle von einer massiven Bedrohungssituation nicht aufgenommen werden können. Dies ist nach Rücksprache mit dem Fachamt selbstverständlich nach wie vor möglich. Insofern ist von einem Aufnahmestopp in Gänze nicht die Rede, es geht vielmehr um eine konsequente Vorrangigkeit der Weimarer Frauen.

Frage 2: Wie wird gewährleistet, dass gewaltbedrohte Frauen trotzdem Hilfe erhalten?
Antwort:
Mit der Maßgabe der Vorrangigkeit Weimarer Frauen soll eine bedarfsgerechte Unterstützung gewährleitet werden. Darüber hinaus gibt es im Zuge des Gewaltschutzverfahrens eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt. Bspw. können Frauen die Wohnung / das Haus zugewiesen bekommen, unabhängig davon, ob sie Mieterin / Eigentümerin der Wohnung sind. Außerdem gibt es das Kontakt- und Annäherungsverbot und die Wegweisung als polizeiliche Maßnahme.
Ferner kann in Weimar auch die ambulante Beratung des Frauenschutzes genutzt werden.
Die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt (mit Sitz in Erfurt), bietet ebenso Beratung für Opfer häuslicher Gewalt an (Frauen und Männer) und wird nach einem polizeilichen Einsatz – wenn das Opfer einverstanden ist – auch proaktiv tätig.

Frage 3: Ist die Entscheidung mit dem Mittelgeber – dem Freistaat Thüringen – in dieser Form abgestimmt? Warum konnte keine Einigung gefunden werden, die sich nicht auf die Optionen gewaltbetroffener Frauen auswirkt?
Antwort:
Das Land Thüringen beteiligt sich anteilig an der Finanzierung des Frauenhauses (vgl. § 4 Thüringer Chancengleicheitsfördergesetz). Die Mittel des Landes sind u.a. für den 24 stündigen Notruf, sowie für die Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit zu verwenden. Da es sich um eine überwiegend kommunale Finanzierung handelt, sehen wir in der Vorrangigkeit Weimarer Frauen keinen Widerspruch zur Finanzierung des Landes. Zudem werden die Mittel des Landes direkt an den Träger ausgereicht.

Frage 4: Welche Rahmenbedingungen müssten sich aus Sicht der Stadtverwaltung ändern, um Frauen auch aus anderen Gebietskörperschaften als Weimar aufzunehmen?
Antwort:
Wenn das Land bzw. der Bund die Gesamtkosten der Finanzierung eines Schutzangebotes trägt und eine flächendeckende Angebotsstruktur vorhält, können auch Frauen aus anderen Gebietskörperschaften aufgenommen werden, ohne das vorab die Kommune eingebunden ist.

 

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