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05.12.19 –
Rede, Stadtratssitzung, 04.12.2019
von Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt, Fraktionsvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Damen und Herren,
niemand auf der Welt flieht freiwillig. Menschen, die sich auf die Flucht begeben, tun dies, weil sie von Verfolgung, Gewalt oder Folter bedroht sind und um ihr Leben fürchten müssen. Weil sie in ihrem Land nicht mehr sicher sind, weil sie um ihre Existenz bangen müssen, weil Krieg sie dazu zwingt. Wir alle können uns glücklich schätzen, dass wir nicht in der gleichen Situation sind und sicher hier leben können.
Menschen, die flüchten, riskieren dabei nicht selten ihr Leben. Sie nehmen tausende von Kilometern Fußmarsch auf sich oder lebensgefährliche Bootsfahrten. Sie tun dies, weil sie keine andere Chance mehr sehen. Sie riskieren ihr Leben, um ihr Leben zu retten. Insbesondere das Mittelmeer ist die tödlichste Grenze der Welt – in den vergangenen 5 Jahren haben hier laut der UN über 15.000 Menschen auf der Flucht nach Europa ihr Leben verloren. In diesem Jahr sind bereits über 1000 Menschen an der europäischen Außengrenze Mittelmeer gestorben - Männer, Frauen, Kinder.
Doch diese Menschen haben keine andere Wahl. Es gibt keine Möglichkeit, legal nach Europa einzureisen und Asyl zu beantragen. Vor allem nicht aus Ländern, deren Regierungen korrupt sind und Krieg gegen die eigene Bevölkerung führen. Erst recht nicht für Menschen, die in ihrer Heimat systematischer Verfolgung und Bedrohung ausgesetzt sind. Daher begeben sich die flüchtenden Menschen aus der Not heraus auf diese lebensgefährliche Reise. Die EU hat jedoch sämtliche Programme zur Seenotrettung von Geflüchteten eingestellt – und schaut zu, wie Menschen im Mittelmeer sterben. Wir müssen daher dankbar sein, dass es private Initiativen gibt, die unsere humanitäre Verantwortung ernst nehmen und Menschen in Seenot retten. Nicht immer kommen sie leider rechtzeitig, doch vielen hunderten, wenn nicht gar tausenden Menschen konnten diese Helfer*innen schon das Leben retten. Seenotrettung ist kein Verbrechen. Nennen Sie es Nächstenliebe, Solidarität oder Humanität, dass wir uns den von Tod bedrohten Menschen annehmen. Ich nenne es schlicht Menschlichkeit.
Häufig finden diese Seenotretter*innen jedoch keinen Hafen, der sie und die Geretteten aufnimmt. Meist müssen sie ohne gesicherte Versorgung wochenlang auf den Schiffen ausharren. Dieser Zustand ist mit humanitären Grundsätzen nicht vereinbar. Weder die EU noch die Bundesregierung kommen ihren Pflichten in diesem Zusammenhang in ausreichendem Maße nach.
Im Juli 2018 haben daher einige Städte in Deutschland den „Sicheren Hafen“ ausgerufen und sich bereit erklärt, aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen. Aus dieser kleinen Gruppe ist eine große Bewegung geworden – 121 Kommunen sind in Deutschland bereits dabei. Weimar ist bereits jetzt eine Stadt der Willkommenskultur, der Vielfalt und der Integration – an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön vor allem an die vielen zivilgesellschaftlichen Engagierten für die geleistete Arbeit! Daher ist es nur folgerichtig, dass Weimar sich ebenfalls den „sicheren Häfen“ anschließt und dem Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ beitritt. Wer, wenn nicht wir - die Welt- und Kulturstadt Weimar im Schatten Buchenwalds?
Im Sommer haben wir Grüne zusammen mit Linken und SPD einen Antrag eingereicht, um auch Weimar zum Sicheren Hafen zu erklären, und haben damit eine Diskussion angestoßen. Wir sind dem Oberbürgermeister sehr dankbar, dass er sich diesem Thema angenommen und einen überfraktionellen Konsens zu finden versucht hat. Wir begrüßen sehr, dass unsere Anfrage neulich zum Integrationskonzept offenbar ein Umdenken ausgelöst hat und die Erarbeitung eines solchen Konzeptes nun vorgesehen ist. Wir hätten uns jedoch von dem Papier des OB mehr Klarheit und Entschlossenheit gewünscht, die aus unserer Sicht nötig wäre. Denn die Erklärung zum Sicheren Hafen bedeutet nicht nur die Aufnahme der Geflüchteten und damit einen Akt der Solidarisierung. Wir wollen und müssen mit diesem Beschluss auch ein starkes politisches Zeichen senden: So kann es nicht weitergehen! Daher ist mit unserem vorliegenden Antrag auch ein Appell an Land, Bund und EU verbunden, für eine nachhaltige, gesamteuropäische Verantwortungsteilung zum Schutz von Geflüchteten zu sorgen, Fluchtursachen entschlossen zu bekämpfen und die Rettung von Menschen im Mittelmeer zu gewährleisten.
Kein Mensch wird sich im Nahen Osten oder in Afrika auf den Weg nach Europa machen, weil Weimar den Sicheren Hafen ausgerufen hat. Denn die Reise über das Mittelmeer ist noch immer lebensgefährlich. Wir können als Stadt aber unseren Teil dazu beitragen, dass weniger Menschen sterben bei dem Versuch, ihr Leben und das ihrer Angehöriger zu retten. Es kostet uns wenig im Vergleich zu dem großen Nutzen. Es kostet den ein oder anderen vielleicht ein wenig Überwindung. Wenn wir jedoch nichts tun und untätig bleiben, dann kostet es höchstwahrscheinlich Leben.
Ich bitte Sie daher herzlich, lassen Sie uns heute dieses starke Zeichen setzen und Weimar zum Sicheren Hafen erklären.
Vielen Dank!
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