14.02.2010: Offener Brief an die Stadtwerke Weimar

Sehr geehrter Herr Büttner,

vor einer Woche, am 07.02.2010 haben wir eine Mitteilung veröffentlicht, mit dem Titel „Weniger als 10% der Strompreiserhöhung in Weimar seit 2003 durch Förderung Erneuerbarer Energien".
In dieser Mitteilung werfen wir den vier großen Stromversorgern Deutschlands „Abzocke" vor.
Indirekt trifft dieser Vorwurf auch die Stadtwerke Weimar, da die Stadtwerke die Preiserhöhungen an die Bürgerinnen Weimars durchreichen. Sie waren aber nicht unser erstes Ziel.
Ihre Antwort in Form der Pressemitteilung vom 10.02.2010 hat uns sehr erstaunt und auch etwas betroffen gemacht. Es ist uns bekannt, dass E.ON 49% der Stadtwerke Weimar Stadtversorgungs-GmbH besitzt. Dennoch hätten wir erwartet, dass Sie die Politik von E.ON etwas kritischer sehen und sich nicht selbst jegliche politische Stellungnahme verbieten.
Bitte gestatten Sie uns, auch als Teil der 51% der kommunalen Eigentümer der Stadtwerke, einige Fragen zu Ihrer Pressemitteilung vom 10.02.2010.
1.   Die von uns genannte Strompreiserhöhung zwischen 2003 und 2009 um 7,5 ct/kWh errechnet sich aus Ihren Preisblättern vom 01.01.2003 und vom 01.02.2009 (z.B. Familienstrom bis 2.000 kWh/Jahr 2003: 12,68 ct/kWh; 2009: 20,1 ct/kWh; Differenz: 7,42 ct/kWh; beim Single-Strom sind es 7,8 ct/kWh Differenz). 
Selbstverständlich ist in diesem Vergleich das Jahr 2010 nicht enthalten - das begann ja erst 11 Monate nach dem 01.02.2009.
Wenn die Stadtwerke Weimar schon am 01.02.2009 die Erhöhung der EEG-Umlage 2010 von 1,1 ct/kWh auf 2,047 ct/kWh eingepreist haben, fragen wir: Was haben Sie vom 01.02.2009 bis 31.12.2009 mit diesen 0,947 ct/kWh gemacht?      
Oder umgekehrt gefragt: Wie können Sie eine Erhöhung der Umlage um 0,947 ct/kWh am 01.01.2010 kompensieren und gleichzeitig eine Preisgarantie für 2010 geben?
Offensichtlich ist die EEG-Umlage nur ein relativ bescheidener Anteil in der Preiskalkulation.
2.   Sie schreiben, dass sich die Bezugspreise für Strom (also ohne EEG-Umlage und ohne Netzkosten) im fraglichen Zeitraum (also 01.01.2003 bis 01.02.2009) um 50% erhöht haben.
Sie begründen dies mit gestiegenen Preisen an der Strombörse EEX und mit „steigende(r) Stromnachfrage bei gleich bleibendem Angebot". Laut Bundeswirtschaftsministerium hat sich die Stromproduktion in Deutschland zwischen 2003 und 2008 um 30,9 TWh erhöht, während sich der Stromverbrauch gleichzeitig nur um 18,7 TWh erhöht hat. Warum bleibt das Angebot an der Börse gleich, wenn sich die Produktion fast doppelt so schnell erhöht, wie der Verbrauch? Genau das ist unser Vorwurf an die vier Stromriesen - die Marktwirtschaft funktioniert bei den Strompreisen nicht.
Warum haben sich die Bezugspreise für Strom für die Stadtwerke Weimar um 50% erhöht?
Warum reichen die Stadtwerke Weimar diese Preiserhöhungen kritiklos an die Kunden in Weimar weiter?
3.   Sie schreiben, die 3 ct/kWh „fehlen in der Marge und damit im Ergebnis der Stadtwerke Weimar Stadtversorgungs-GmbH". Hier sind wir voll auf Ihrer Seite. Wir wollen die Marktmacht der großen Stromversorger schwächen und die lokalen Versorger stärken, damit das Geld in der Region bleibt und hier die Wirtschaft stärkt.
Mit welchen Maßnahmen wollen die Stadtwerke Weimar die Abhängigkeit von der Preispolitik der großen Stromversorger verringern?
Warum kaufen die Stadtwerke 60% des Stroms bei E.ON ein und nicht bei alternativen, ggf. günstigeren Anbietern?
4.   Sie schreiben, dass 2009 in Weimar 975.000 kWh Ökostrom (2003: 172.000 kWh) produziert wurden. Unseres Wissens ist der Beitrag der Stadtwerke Weimar dazu fast Null.
Warum bauen die Stadtwerke Weimar keine Anlagen zur Erzeugung von Strom aus regenerativen Quellen?
5.   Sie schreiben „wir helfen mit beim Weimarer Ökostrommodel". Dies ist leider auch unser Eindruck. Sie helfen mit, aber sie identifizieren sich nicht damit. Seit 2000 wird jedes Jahr aus den Einnahmen des Ökostrommodels Geld zur Förderung von Sonnenstromanlagen zur Verfügung gestellt.
Zwischen 2003 und 2009 hat sich die Zahl der Sonnenstromanlagen in Weimar von 19 auf 84 erhöht.
Warum haben die Stadtwerke Weimar nie an der Inbetriebnahme einer, durch das Weimarer Ökostrommodel geförderten, Sonnenstromanlage teilgenommen und damit anderen Menschen Mut gemacht, selbst solche Anlagen zu bauen?
6.   Sie vergleichen den Energiemix der Stadtwerke Weimar mit dem von Yellow Strom. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Yellow Strom 45% Atomstrom beinhaltet, der Strom der Stadtwerke jedoch nur 12,1%. Das bezeichnen Sie als Verantwortungsbewusstsein. Wir stimmen Ihnen zu, dass Strom aus fossilen Quellen (insbesondere aus den KWK-Anlagen der Stadtwerke) weniger problematisch ist, als Strom aus Atom. Wenn Sie Atomstrom wenig verantwortungsbewusst finden, warum wollen Sie die Forderung des Verbandes kommunaler Unternehmen - Beibehaltung des Atomausstieges - nicht auch als Einzelunternehmen unterstützen?

Mit freundlichen Grüßen

Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Weimar
Sebastian Pfütze
Sprecher

 

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