Stellungnahme des Kreisvorstands von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weimar zum Bürgerbegehren "Radentscheid Weimar"

Zur kommenden Sitzung des Stadtrats am 1.2.2023 stehen erneut die Ziele des erfolgreichen Bürgerbegehrens „Radentscheid Weimar“ zur Abstimmung. Nachdem der vorige Antrag im letzten Jahr mit knapper Mehrheit nicht angenommen wurde, gibt es nun durch die erneute Einbringung durch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zusammen mit SPD und DIE LINKE einen neuen Anlauf.

Die Förderung aber auch die Erfüllung der bestehenden Bedürfnisse des Fuß- und Radverkehrs in unserer Stadt sind von wichtigem Interesse für uns alle: Sie stellen einen wichtigen Baustein dar, nicht nur zur Bekämpfung der Klimakrise, sondern auch zur Verkehrsentlastung der Innenstadt (auch für Autofahrer:innen), zur Reduktion von Lärm- und Abgasemissionen, zur Verbesserung der allgemeinen Verkehrssicherheit, zur Förderung der öffentlichen Gesundheit und nicht zuletzt zur Schaffung neuer öffentlicher sozialer Räume. Weimar ist die Stadt der kurzen Wege, umso mehr sollten wir die Verlagerung ebendieser Wege auf das Fahrrad nicht als Konkurrenzkampf, sondern als Chance zur Erhöhung der Lebensqualität begreifen.

Leider gelang es dem Radentscheid nicht, zu einer Einigung mit den Fraktionen weimarwerk-FDP und CDU zu kommen, weshalb nun ein verkürzter Gegenentwurf ebenfalls zur Abstimmung steht. Nach unserer Einschätzung verkennt dieser Antrag sowohl das Potential als auch die Bedürfnisse des Fuß- und Radverkehrs. Die Ergänzung des Punktes „Durchgängig befahrbares Radwegenetz“ durch den Zusatz „im Rahmen der verkehrstechnischen Möglichkeiten“ fasst die geänderte Vorlage gut zusammen und zeugt von generellem Unwillen, Zugeständnisse gegenüber schwächeren und besonders schützenswerten Verkehrsteilnehmer:innen zu machen. Die Ausweisung von Straßenzügen als Fahrradstraße wird mit unscharf definierten bürokratischen Hürden belegt und eine Neuverteilung des öffentlichen Raums auf Kosten des ruhenden Kfz-Verkehrs ist im Antrag von CDU und weimarwerk-FDP generell nicht mehr vorgesehen. Stattdessen sollen neue Radwege de facto ohne Flächenverluste geschaffen werden, was insbesondere in der historischen Kernstadt einem Quasi-Stopp des Ausbaus baulich getrennter Radinfrastruktur gleichkäme. Anstatt eigene Infrastruktur zu bekommen, wird der Radverkehr folglich weiter auf Fußwege oder deutlich zu schmale Radschutzstreifen verbannt. Eine Antwort, wie so provozierte Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmer:innen künftig gelöst werden sollen, bleibt der Antrag schuldig. Stattdessen wird auf gegenseitige Vor- und Rücksichtnahme gesetzt, was in Anbetracht des ungleichen Kräftegewichts und des beschränkten Raumes in jedem Falle fraglich scheint. Nicht zuletzt die ersatzlose Streichung des Passus zu reduzierten Wartezeiten für Fuß- und Radverkehr beim Queren und Abbiegen an Knotenpunkten verfestigt den Eindruck, dass es in diesem Antrag in Wahrheit weniger um die Stärkung des Radverkehrs in Weimar geht, als vielmehr um die Wahrung der Privilegien des Kfz-Verkehrs. Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen in der Klimakrise, aber auch des real gemessenen Modal-Splits in unserer Stadt, können wir uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dieser Herangehensweise nicht anschließen.