Rede zur Umgestaltung des Sophienstiftsplatzes

Rede, Stadtratssitzung, 21.06.2017 Andreas Leps, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/DIE GRÜNEN

21.06.17 –

/Es gilt das gesprochene Wort./

Frau Vorsitzende, Herr Oberbürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

Lassen Sie uns über Sicherheit reden, denn darum geht es, um gefühlte und reale Sicherheit. Um nicht mehr und nicht weniger.

Der Sophienstiftsplatz ist zwar auch ein von Automobilverkehr und Bussen viel benutzter Platz, aber vielmehr noch ein von Radfahrern und Fußgängern viel benutzter Platz, wegen seiner zentralen Lage am Stadtzentrum und wegen der zwei angrenzenden Schulen. Und diese Schulen gehören sicher nicht zu den kleinen in der Stadt.

Die meisten dieser Schülerinnen und Schüler, es sind hunderte, dazu viele Eltern und Lehrer benutzen werktäglich diesen Platz, überqueren ihn oder die Gropiusstraße, die Erfurter oder die Coudraystraße, manchmal mehrmals am Tag. Die beiden Sporthallen werden auch Nachmittags und Abends von Weimarer Bürgerinnen und Bürgern reich frequentiert. Stellen Sie sich einfach zwischen halb und um 8 an den Platz, am besten an die Ecke Hummelstraße, da ist ein guter Überblick und zählen sie die Menschen und damit meine ich die, die nicht in Autos sitzen. Und allein dann ist klar – für wen wir hier etwas tun müssen. Und das ist nicht primär der Autoverkehr.

Ich führe manchmal Freunde oder Verwandte durch unsere Stadt. Und je nach Route am Anfang oder Ende landet man auf dem Sophienstiftsplatz. Als Historiker empfehle ich dann meist genau hinzuschauen – so ging Verkehrsplanung in den 60er/70er Jahren. Hier könnte man historische Filme drehen oder Lehrfilme für Verkehrsplanung, um zu zeigen, wie man es nicht machen sollte. Nämlich: Vorfahrt für den Autoverkehr, die Fußgänger eingekesselt, Ampelschaltungen kaum nachvollziehbar, Radfahrer fühlen sich als Freiwild.

Es hat doch Gründe – warum Weimar seit Jahren beim Fahrradranking zurückfällt – wir tun viel zu wenig. Dafür steht exemplarisch der Sophienstiftsplatz – eine Katastrophe und zwar für alle Verkehrsteilnehmer.

Einzige Modernisierung seit den 70er Jahren war die Busbevorrechtigung. Aber das ist der Standard der 90er Jahre.

Seitdem ich mich erinnern kann, seitdem ich in Weimar bin, mein halbes Leben, drängen Bündnis 90/DIE GRÜNEN und mit uns weite Teile der Bevölkerung auf eine Umgestaltung des Platzes – für mehr Sicherheit für alle.

Das hat das Bürgerforum auch ganz klar gezeigt. Ich weiß schon, jetzt kommt gleich der Vorwurf, Wir Grüne oder der ADFC oder die Bürgerinitiative hätten die Tische gezielt unterwandert, um die Meinungsführerschaft zu übernehmen. - Das hätten sie erstens auch alle machen können und ich hätte ihnen auch gern dabei zugeschaut, und zweitens die Bürgerinnen und Bürger wollen sich doch nicht dominieren lassen – wozu auch. Es waren mündige Bürgerinnen und Bürger - sie wollten zunächst Informationen und haben dann sehr zielgerichtet an Lösungen gearbeitet.

Ganz oben stand mehr Sicherheit für Fußgänger, deutlich mehr Platz und eben Sicherheit für Fußgänger & Radfahrer, auch auf dem Goetheplatz übrigens, Aufenthaltsqualität für den Platz, Weg mit den Verkehrsinseln, direkte Wege für Fußgänger, intelligente Ampelschaltungen, Fahrradstreifen, eine direkte Verbindung in die Fallerslebenstraße für Radfahrer und ein Shared Space.

Ebenso wurde gefordert: alle Verkehrsbeziehungen in die Coudraystraße zu erhalten, es gab auch die Idee, die Linksabbieger aus der Erfurter nur in die Coudray-, nicht mehr die Heinestraße zuzulassen. Denn es stimmt, es wohnen deutlich mehr Menschen in der Heine- als in der Coudraystraße, vielleicht teilt man den Verkehr dann einfach auf.

Dabei soll aber das Viertel zwischen Erfurter Straße, Stadtring und Schwanseestraße, das schon jetzt gern als Abkürzung dient, vom Verkehr entlastet werden. Das ginge übrigens m.E. schon jetzt durch eine Einbahnstraße am unteren Ende der Brucknerstraße bergabwärts.

Aber zurück zum Sophienstiftsplatz: Seit vielen vielen Jahren heißt es, wir arbeiten an einer Lösung. 2005 gab es schon einmal mehrere Runden mit unklaren Beteiligungsverhältnissen. Alljährlich fragten wir im Stadtrat nach, wie ist der Stand der Dinge und wurden immer wieder vertröstet. Und nun sollen wir beschließen, noch vor der Sommerpause, damit nicht noch mehr Zeit verlorengeht und wir die Fördermittel auch noch rechtzeitig verbauen können.

Nun sind die Fördermittel der EU ja nicht erst gestern vom Himmel gefallen. Wer hat es denn bisher nicht geschafft, eine Beschlußvorlage in den Stadtrat zu bringen?

Sie, die Bürgerschaft, wir, die Räte, oder die Stadtverwaltung unter Führung des Oberbürgermeisters?

Und was beschließen wir nun: Wir haben eine Drucksache vorliegen, die viele der geäußerten Vorschläge aufführt. Unklar bleibt dabei das Verhältnis zu der alten Drucksache 240 mit der Verkehrsuntersuchung – ist diese Untersuchung nun obsolet und fällt dem Vergessen anheim? Oder dienen die dort enthaltenen Zahlen auch als weitere Planungsgrundlage – und warum beschließen wir das dann nicht entsprechend? Das Büro war ja nun nicht völlig ahnungslos, im Gegenteil.

Aber – und das hat das Büro ja herausgearbeitet und das zeigt die jetzige Drucksache auch wieder auf: - Die eierlegende Wollmilchsau – gibt es auch im Straßenverkehr nicht.

Wenn man nur eine endliche Zeit hat – und das gilt hier für den Ampelumlauf – kann man nicht für alle Bedürfnisse mehr Zeit versprechen. Wenn wir mehr Zeit für Fußgänger an den Ampeln bereitstellen wollen, und das scheint mir Konsens zu sein, dann wird man versuchen, mit mehr Intelligenz als aktuell die Ampelschaltungen zu optimieren, aber das ist eben nur begrenzt möglich. Danach muss man die Zeit also anderen wegnehmen – nur so funktioniert ein endliches System.

Eine Abwägung vorzunehmen, und daraus Vorschläge abzuleiten, das wäre nach meinem Verständnis die Aufgabe der Stadtverwaltung gewesen. Es wird nicht gehen, gleichzeitig eine Busbevorrechtigung, die völlig richtig ist, beizubehalten, Fußgängern und Radfahrern mehr Ampelzeit einzuräumen und den motorisierten Individualverkehr im selben Maß wie heute durchzulotsen. Was also will die Stadtverwaltung, der Oberbürgermeister eigentlich?

Derzeit will die Verwaltung alles – oder nichts – jedenfalls bloß keine Vorschläge machen, bloß keine Präferenzen erkennen lassen, bloß nichts konkretes. Stehen etwa Wahlen vor der Tür, Herr Oberbürgermeister?

Diese ganze Aufgabe mit den ganzen Vorgaben überlässt man jetzt einem Planungsbüro. Wenn man denn überhaupt eines findet.

Für uns – Bündnis 90 /DIE GRÜNEN - ist klar, das wir für die Umgestaltung des Sophienstiftsplatzes klare Präferenzen haben. Manches hat ja auch die jüngste Fahrraddemo mit ca. 100 Teilnehmenden gezeigt:

- Priorität für den Radverkehr – Wir müssen mehr tun, was über Einbahnstraßenöffnung und Abstellbügel hinausgeht und wo, wenn nicht an diesem Platz.

- Beibehaltung der Busbevorrechtigung, d.h. Vorfahrt für den Öffentlichen Verkehr, auch für Taxen

- Wir wollen die Durchfahrten auf dem Goetheplatz für den privaten Autoverkehr mindern und zwar vor allem

- für den Schutz der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer beim Um- bzw. Einsteigen in die Busse.

Und wir wollen die Sicherheit am Sophienstiftsplatz für Fußgänger, insbesondere Schulkinder deutlich erhöhen. Denken Sie auch an die Schulbezirke der beiden Schulen und die Idee der kurzen Wege für die kurzen Beine.

Wenn wir dann noch dem Platz am Bühneneingang des Deutschen Nationaltheaters, Herz der Weimarer Kulturszene, mehr Aufenthaltsqualität und deutlich weniger Lärm abringen können - das wäre ein Gewinn für alle.

Da es nun so ist, dass sich die Stadtverwaltung, warum auch immer, außerstande sieht, Prioritäten zu setzen, muss das offenbar der Stadtrat übernehmen.

Deswegen erwarte ich für meine Fraktion, dass jeder weitere Schritt bei dem Sophienstiftsplatz, also die weitere Planung und Umsetzungsplanung dem Stadtrat bzw. seinen Gremien zur Entscheidung vorgelegt wird. Im HPA vor der Sitzung wurde das ja bestätigt. Unter dieser Voraussetzung stimmt unsere Fraktion zu.

Vielen Dank.

Kategorie

Reden | Stadtentwicklung und Bauen | Verkehr

Unser Programm