Frauen im Stadtbild stärker würdigen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weimar wollen mehr Straßen nach Frauen benennen

Pressemitteilung, Kreisverband BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weimar, 15.03.2019

15.03.19 –

Mit einer Guerilla-Aktion haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weimar am Freitag den 140. Geburtstag von Marie Juchacz begangen, der ersten Frau, die je in einem deutschen Parlament gesprochen hat. Dazu erklärt Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt, grüne Spitzenkandidatin zur Kommunalwahl: „Frauen und ihre Leistungen werden im öffentlichen Raum zu wenig gewürdigt. Erfreulich ist, dass unser Stadtratssaal nach Marie Juchacz benannt ist. Dennoch zeigen in Weimar zehn Mal so viele Straßenschilder Männer- wie Frauennamen – obwohl Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen und in der Vergangenheit ebenfalls große Leistungen erbracht haben. Auf diesen Missstand machen wir mit unserer Aktion aufmerksam – ohne dass es sich dabei um konkrete Umbenennungsvorschläge handelt."

Ines Bolle, Listenplatz 3 zur Kommunalwahl und Vorstandssprecherin, ergänzt: „Fünf Plätze und Straßen in der Weimarer Altstadt haben wir beispielhaft umbenannt. Aus dem Theaterplatz wurde der Marie-Juchacz-Platz, um das Gedenken an Juchacz' bedeutende Rede hier vor 100 Jahren vor der Nationalversammlung an den Ort des Geschehens zu holen, gleich in guter Nachbarschaft zu Goethe und Schiller. Mit Louise Schroeder, Minna Schilling, Clara Bohm-Schuch und Antonie Pfülf haben wir vier weitere Parlamentarierinnen der Nationalversammlung ausgewählt, die jeweils mit einer umliegenden Straße temporär geehrt werden. Diese und viele andere Frauen verdienen eine Würdigung, weil sie sich nicht nur einen politischen Ruf erarbeitet haben in einer Zeit, in der Frauen lange von politischer Teilnahme ausgeschlossen waren. Viele Frauen waren sehr engagiert und gründeten zum Beispiel eigene Organisationen."

Bohm-Eisenbrandt fügt hinzu: „In den letzten Jahren hat sich unsere grüne Ratsfraktion bereits dafür eingesetzt, mehr Straßen und Plätze in Weimar nach Frauen zu benennen. Dieses Vorhaben wollen wir im nächsten Stadtrat weiterführen. Die Umbenennung von Straßen und Plätzen sollte dabei nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Denn Frauen verdienen ebenso ihren Platz im Weimarer Stadtbild!"

 

(Mit dabei: Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt, Andreas Leps, Ines Bolle, Daniel Schmidt - Dank an Daniel für die tollen Schilder!!! Und an Sebastian Pfütze, nicht im Bild, für die gute Recherche und Vorbereitung!!! :-)

Informationen zu den ausgewählten Frauen:

Marie Juchacz (1879 – 1956)
Marie Juchacz war eine deutsche Sozialreformerin, Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin. Unter ihrer Leitung wurde 1919 die Arbeiterwohlfahrt gegründet. 1919 wurde sie in die Nationalversammlung gewählt und hielt dort am 19. Februar 1919 als erste Frau eine Rede. Sie gehörte außerdem als einzige Frau dem „Ausschuß zur Vorberatung des Entwurfs einer Verfassung des Deutschen Reichs“ der Nationalversammlung an. Von 1920 bis 1933 war sie außerdem Abgeordnete des deutschen Reichstags. Von 1921 bis 1931 gehörte sie zudem dem Vorstand des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (DV) an.

Louise Schroeder (1887-1957)
Louise Schroeder, trat 1910 in die SPD ein. Sie engagierte sich v. a. in der Sozialpolitik und war an der Gründung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) beteiligt. 1919 wurde sie in die Nationalversammlung gewählt. Danach war sie bis 1933 Reichstagsabgeordnete. Sie war bis zum Berufsverbot 1933 auch Dozentin an der Schule der AWO und an der Deutschen Hochschule für Politik. 1946 wurde sie 3. Bürgermeisterin von Berlin. Da die Besatzungsmächte den ersten Bürgermeister Ernst Reuter 1947 nicht gemeinsam bestätigten, wurde sie kommissarisch Regierende Oberbürgermeisterin von Berlin – bis heute die einzige Frau in dieser Position. In ihre Regierungszeit fiel unter anderem die Blockade von Berlin und die Berliner Luftbrücke.

Minna Schilling (1877-1943)
Minna Schilling kam aus Freiberg in Sachsen, trat in die SPD ein und war Mitarbeiterin bei der Gewerkschaft in Döbeln. 1919 wurde sie in die Nationalversammlung gewählt. Danach war sie bis 1928 Reichstagsabgeordnete. Sie war eine engagierte Sozialpolitikerin. 1928 heiratete sie August Frölich und zog von Döbeln nach Weimar. Hier starb sie am 22.04.1943.

Clara Bohm-Schuch (1879-1936)
Clara Bohm wurde als Tochter armer Bauern im Westhavelland geboren und ging nach der Schule nach Berlin. Seit 1904 engagierte sie sich in der Gewerkschafts- und Frauenbewegung. Besonders engagierte sie sich für die Senkung der hohen Säuglingssterblichkeit. 1919 wurde sie in die Nationalversammlung gewählt. Danach war sie bis 1933 Reichstagsabgeordnete. Die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Frauen und Kindern sowie die Aufklärung über die Ursachen des Weltkriegs wurden ihre politischen Schwerpunkte im Reichstag. Im März 1933 stimmte sie gegen das Ermächtigungsgesetz der NSDAP. Im August 1933 wurde sie für 15 Tage inhaftiert. Danach war sie psychisch zerstört und starb am 06.05.1936. Zur Trauerfeier erschienen 5.000 Menschen, was als stummer Protest gegen das NS-Regime gewertet wurde.

Antonie Pfülf (bekannt war sie als Toni Pfülf) (1877-1933)
Die ausgebildete Lehrerin trat bereits als junge Frau der SPD bei. Die Bildungspolitik war ihr Hauptthema. 1918 war sie die einzige Frau im Arbeiter- und Soldatenrat München. 1919 wurde sie in die Weimarer Nationalversammlung gewählt. Gemeinsam mit Marie Baum (DDP) und Clara Mende (DVP) setzte sie die Abschaffung des Lehrerinnenzölibats in der Weimarer Verfassung durch. Sie war bis 1933 bayerische Abgeordnete im Berliner Reichstag. Sie wurde auch am 5. März 1933 wiedergewählt und stimmte am 23. März 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz. Am 8. Juni 1933 nahm sie sich das Leben.

 

UPDATE vom 22. März 2019:

[Die Antwort des Oberbürgermeisters auf unsere Aktion]

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Demokratie und Gerechtigkeit | Pressemitteilung Weimar KV