Statement der Fraktionen zur aktuellen Corona-Krise und zur Haushaltssperre 2020

Rede, Stadtratssitzung, 13.05.2020 Andreas Leps, Fraktionsvorsitzender, für die Stadtratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

14.05.20 –

Rede, Stadtratssitzung, 13.05.2020

Andreas Leps, Fraktionsvorsitzender, für die Stadtratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

(Anrede)

Die Covid-19-Pandemie hat uns alle überrascht und uns zugleich einiges aufgezeigt: Sie hat aufgezeigt, wie Zusammenhalt und Solidarität unter Nachbar*innen funktionieren kann. Es sind viele großartige Netzwerke entstanden. Dafür wollen wir – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Danke sagen.

Unser Dank gilt auch allen Beschäftigten im Gesundheitssektor, den ganzen ehrenamtlich Tätigen, allen Eltern, die neben ihrer täglichen Arbeit auch noch Schule und Kindergarten ersetzen mussten - und allen Menschen, die ganz individuell bei der Bewältigung der Covid-19-Krise geholfen haben oder helfen werden.

Wir haben durch die Krise aber auch ganz klare Zeichen bekommen, was an dem globalisierten Wirtschaftssystem nicht so funktioniert. Es gilt nun, die Wirtschaft so zu beleben, dass wir auch Klimaschutz und regionale Wertschöpfung stärken. Krisenfester werden heißt eben auch regionaler zu denken.

Die kommunale Ebene muß ihren Teil der Verantwortung dafür wahrzunehmen. Diese Verantwortung bedeutet, (am besten) Nachhaltigkeit umzusetzen.

Diese Krise zeigt uns auch: kurzfristiges Denken, Entscheidungen, die nur kurzfristige Anpassungen bewirken, sind von vorgestern.

Beispielsweise rächt es sich jetzt quasi täglich, dass es keine Ticketautomaten in den Stadtbussen oder an wichtigen Haltestellen gibt. Seit Jahren verhallen unsere Hinweise dazu in der Chefetage der Stadtwirtschaft.

Unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit muss auch der Blick auf den städtischen Haushalt ausfallen. Gerade weil wir wenige Gewerbesteuerzahler*innen haben, müssen wir diejenigen pflegen, die wir haben.
Neben den wenigen großen sind das vor allem die kleinen Gewerbetreibenden, die als Solo-Selbständige oder mit wenigen Mitarbeitenden in unserer Stadt tätig sind.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN setzen bekanntlich auf einen Mix von Maßnahmen zur Stärkung der örtlichen Wirtschaft bis hin zu einer Neujustierung der Wirtschaftsförderung.

Das alles muss in den engen Rahmen der städtischen Finanzen passen. Angesichts der wegbrechenden Einnahmen war der Erlass einer Haushaltssperre durch den Oberbürgermeister völlig richtig.

Der Stadtrat war bei der Entscheidung außen vor. Leider gab es detaillierte Informationen zu den Sperren erst auf Nachfrage von uns und nach Wochen. Bis die Informationen an alle von der Haushaltssperre betroffenen, insbesondere die kleinen Initiativen gingen, dauerte es leider noch länger.

Diese kleinen Initiativen und Vereine sorgen aber wesentlich für die positive Stimmung in unserer Stadt, gerade in der Krise.
Die Haushaltssperre hat die Stimmung leider gar nicht aufgegriffen. Wir können es uns als Stadt nicht leisten, bei den kleinen Maßnahmen zu sparen – während wir gleichzeitig neue Großprojekte anfangen. Hier werden die falschen Prioritäten gesetzt.

Ob beispielsweise der zweite Bauabschnitt der Ossietzkystr. 2020 oder 2022 beginnt, ist nicht so wichtig.
Für das Gefühl in der Stadt ist es dagegen viel wichtiger, in Bäume, Grünflächen, Sitzbänke, Abfallkörbe oder öffentliche Toiletten zu investieren und die angefangenen großen Projekte wie die Schulen erstmal zu Ende zu bringen - das wäre übrigens auch nachhaltiger.

Aktuell läuft ja gerade die Steuerschätzung, danach wird es genauere Zahlen geben.
Wir erwarten, dass die Stadtverwaltung mit dem Stadtrat zusammen eine Neuwichtung der Sperren vornimmt. Weg mit den Sperren bei den kleinen Maßnahmen der Zivilgesellschaft – wie dem Bürgerbündnis gegen Rechts, oder den Projektförderungen bei Sozialem, Jugend, Kultur, Sport oder Umwelt.
Auch Sperren bei der zukunftsfähigen Aufstellung der Stadt wie bei der Verkehrsmittelwahl im Rahmen des Modal Split sind nicht sinnvoll. Gern stehen wir zu einem Dialog dazu bereit. Ein Nachtrags-Haushalt wäre jedenfalls durchaus überlegenswert.

Unbedingt positiv würdigen möchte ich hier das schnelle und entschlossene Handeln der Stadtspitze und all ihrer Mitarbeiter*innen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Auch die Kritik an der Landesregierung für inkonsistentes Handeln ist angebracht.

Allerdings sollte man auch die eigenen Kritikpunkte beherzigen. Dazu passt es nicht, zwei Tage später selber vorzupreschen und Straßen und Plätze freizugeben. Dabei geht es nicht um die Maßnahme an sich – sondern die mangelnde eigene Konsequenz im Handeln.

Regeln müssen für alle gelten – dann werden sie besser akzeptiert.

(Anrede)

Die aktuelle Situation ist besonders für die Familien eine extreme Herausforderung, die Eltern sind mindestens doppelt gefordert.
Durch die jetzigen Regelungen sind insbesondere die Frauen stark benachteiligt.
Umfragen zeigen: Bei Müttern ist in der Corona- und damit Home-Office-Zeit zum Beispiel die Arbeitszufriedenheit wesentlich stärker zurück gegangen als bei Vätern.
Sorgen Sie daher bitte dafür, Herr Oberbürgermeister, dass die Kindergärten möglichst schnell und möglichst umfassend – unter Beachtung der gebotenen Hygienevorkehrungen – wieder öffnen.
Die Eltern brauchen das dringend und die Kinder übrigens auch.

Die Einrichtung von Staffellösungen, wie sie auch an den Schulen diskutiert wird, so dass jedes Kind zumindest einmal pro Woche betreut wird, ist ein erster Schritt.
Bei weiteren Lockerungen sollten etwa Familienzentren und Bolzplätze folgen.

Es gilt nun auch, das Einfrieren des Vereinslebens aufzuheben und die Vereine zu unterstützen durch Handreichungen wie auch Hygienekonzepten.

Die womöglich wichtigste Covid-19-Erfahrung aber ist erlebte Solidarität.
Und Solidarität gilt für alle – auch und gerade für Geflüchtete. Weimar muss Sicherer Hafen sein und dauerhaft bleiben – das haben wir so als Stadtrat beschlossen – das muss jetzt erst recht gelten.

Und übrigens: Die Klimakrise ist immer noch da – sie wartet weiterhin auf unser entschlossenes Handeln. Es gibt viel zu tun!

Letztlich wirken Krisen auch wie ein Brennglas, durch das wir auf festsitzende Erwartungshaltungen oder überkommene Gepflogenheiten schauen können. Wenn wir aus dem, was wir dann sehen, Taten folgen lassen, haben Krisen vielleicht auch etwas Gutes.

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