Rede zum Vertragspaket Kulturstadtvertrag / Finanzierungsvertrag Klassikstiftung / Verlängerung Zuwendungsvertrag Kunstfest

Rede, Stadtratssitzung, 08.11.2017 Andreas Leps, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/DIE GRÜNEN

10.11.17 –

Rede, Stadtratssitzung, 08.11.2017

Andreas Leps, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Es gilt das gesprochene Wort.

(Anrede)

Wir reden hier über die Drucksache 151 - Kulturstadtvertrag - Finanzierungsvertrag Klassikstiftung & Verlängerung Zuwendungsvertrag Kunstfest. Das ist ein großes und schweres Vertragspaket, die Schwere gilt sowohl hinsichtlich der Inhalte als auch des Geldes.

Wo fängt man da an? Ich fange mit einem weniger schönen Teil an. Herr Oberbürgermeister, die Vorab-Unterzeichnung des Kulturstadtvertrages, auch wenn der Termin vielleicht von der Staatskanzlei gewünscht war, ohne die Abstimmung hier im Rat abzuwarten - war kein Musterbeispiel, wie Demokratie, wie die Beteiligung der Volksvertretung, funktionieren sollte.

Ich bin mir sicher, Sie wissen das selber auch besser. Und dies gilt besonders deswegen, weil sie ohne die Hintergrundaktivitäten mehrerer Parteien, die hier Räte stellen, womöglich gar nichts zum Unterschreiben gehabt hätten.

Lassen sie uns kurz rekapitulieren: Minister Hoff hatte den Vorschlag zu einem Kulturstadtvertrag m.W. im Herbst letzten Jahres erstmals öffentlich bekanntgegeben. Das geschah auch vor dem Hintergrund der Debatte um die Weimarer Kreisfreiheit – aber eben und bestimmt nicht nur.

Wie reagierte darauf das offizielle Weimar? Gar nicht – über viele Wochen. Dann verabredeten sich einige Lokalpolitiker der Linken und der Grünen mit Minister Hoff zu einem Termin zu dem Thema. Letztlich waren nur Grüne im Februar diesen Jahres beim Minister, einer steht vor Ihnen. Der Minister sagte uns klar – wir wären die ersten aus Weimar, von denen er überhaupt eine Rückmeldung zu dem Vorschlag eines Kulturstadtvertrag bekommen hätte. Er hat uns dann Grundzüge seiner Ideen geschildert, die sich ganz wesentlich auch in dem Vertrag finden.

Wir haben einen Mehrwert für Weimar angemahnt. Danach erst nahmen die Verhandlungen zu dem Vertrag Fahrt auf. Das Ergebnis liegt nun vor uns.

Den Inhalt hat Wolfgang Hirsch in seinem Kommentar vor wenigen Tagen in der TLZ sehr gelungen zusammengefasst, deswegen erlaube ich mir das an dieser Stelle leicht gekürzt wiederzugeben:

(Zitat)

Alles Wesentliche für die Hochkultur ist geregelt, die Finanzierung für Klassik-Stiftung, DNT, Buchenwald-Gedenkstätte und anderes scheint relativ auskömmlich. So weit, so gut – bietet der Kulturstadtvertrag für Weimar und die Welt nichts Überraschendes. Wäre da nicht jener kleine Absatz im Paragrafen 6: Er erkennt den Einsatz der Kommune für diese Kultur-Einrichtungen als „Pflichtausgabe“ an. Das ist neu. Ein Präzedenzfall.

Bislang gelten deutschlandweit Kulturausgaben haushaltsrechtlich als „freiwillige Leistungen“ – mit dem Effekt, das Städte und Gemeinden, die in wirtschaftliche Not geraten, sich zumeist genötigt sehen, an der Kultur zu sparen. Darin liegt ein grundsätzliches Missverständnis historisch begründet. Denn die Freiwilligkeit soll Kommunen vor jedweder Gängelung seitens der Obrigkeit gerade in Fragen der kulturellen Selbstbestimmung bewahren.

Nun ist dem Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff Wundersames geglückt: die Quadratur des Kreises mittels Ei des Kolumbus. Heißt: Träte in Weimar der Fall unsäglich klammer Kassen ein, nähme er sie einerseits nicht allzu sehr an die Kandare; soweit der Vertrag reicht, würden sie mutmaßlich mit Freuden folgen. Andererseits wird die Kultur als „Pflicht“ definiert. …

Mag sein, dass ein relativierender Nebensatz im Paragrafen 6 des Vertrags den Vorgang juristisch unterminiert. Ob die Kultur-Pflicht vor Verwaltungsgerichten einklagbar wäre – wer weiß? Politisch jedoch hat Hoff eine Kühnheit begangen. Sein erster Schritt ist schon der halbe Weg. – Chapeau! Dafür muss man ihn loben.

(Zitatende).

Das konnte man nicht besser herausstellen – worin nämlich der Mehrwert für Weimar besteht. Unsere Kulturausgaben sind nicht nur in unserer Ansicht Pflichtausgaben, sondern auch für das Land, sie sind Pflicht für Thüringens Ausstrahlung in der Welt. Deswegen bedeutet der Vertrag auch noch mehr – nämlich ein Anerkennen der Bedeutung und der Leistungen Weimars für den Freistaat und ist damit deutlich mehr, als wir in den letzten 27 Jahren jemals an offizieller Anerkennung in der Landesregierung hatten.

Und es steckt noch etwas mehr im Vertrag drin: Nämlich Bestandsgarantien für die darin erwähnten Institutionen – die ganz wesentlich das Bild, das Image, Weimars prägen und das ganz ohne unser Zutun. Ich erinnere zum Hintergrund nur an die Idee der Aufspaltung (oder Entkernung) der Bauhaus-Universität zugunsten einer Fachhochschule in Erfurt. Ich entnehme den Protokollnotizen zum Vertrag auch ein vorsichtiges Hinwenden des Landes zu einem Museum für Ur- und Frühgeschichte in Weimar. Und genau das wollten wir doch!

Die Anerkennung der Überprüfung des Theatermietvertrages ist auch für Weimars angespannten Haushalt gut. Das Kunstfest als 4. Sparte an das Deutsche Nationaltheater zu integrieren, wird von unserer Fraktion ausdrücklich begrüßt. Wenn wir dafür weiter unsere 250 T€ geben, müsste der Freistaat damit seinen Anteil erhöhen. Das wäre doch ein guter Deal. Das Kunstfest hat jedenfalls unter Christian Holtzhauer eine sehr positive Entwicklung genommen. Wir waren anfangs auch skeptisch, wurden aber überzeugt. Es ist auf einem guten Weg. Das Kunstfest als 4. Sparte würde auch die jährliche Diskussion um städtische Mittel im Rahmen der Haushaltsdiskussionen beenden. Da will die Grüne Fraktion hin.

Teil dieser Drucksache ist auch der Vertrag zur Finanzierung der Klassik-Stiftung bis 2021. Unser städtischer Anteil bleibt bei 2,045 Mio. Einerseits ist es angesichts des Bedarfes der Stiftung und der Zuwächse von Bund und Land gut, dass unser Anteil nicht steigt. Andererseits haben wir im Stadtrat beschlossen, unseren Anteil deutlich zu senken.

Wir erkennen an: Hier sind wir an der Realität – den Machtverhältnissen – gescheitert. Wir sollten jetzt aber die Gelegenheit nutzen : - mit der Stiftung verstärkt zu kooperieren und - auch unseren Interessen mehr Gehör zu verschaffen, zB längere Öffnungszeiten der Museen. An jedem Vertrag gibt es nun mal auch weniger gute Teile, das liegt in der Natur von Einigungen. Dies gilt auch für den Kulturstadtvertrag. Denn natürlich steht immer alles unter Haushaltsvorbehalt. Das muss es auch, ein Vertrag kann kein Gesetz übertrumpfen.

Aber gerade die kommenden Haushaltsjahre, und damit meine ich insbesondere 2020, 2021 und folgende – werden zeigen, was der Vertrag wert ist: Wenn der Landeshaushalt wegen des Eintretens der Schuldenbremse, des Auslaufens des Solidarpaktes II und im Jahr darauf des Auslaufens der EU-Strukturfonds um rund 1,5 Mrd Euro schrumpfen wird - dann wird es richtig hart. Denn von diesen 1,5 Mrd. wird rund ein Drittel an die Kommunen umgeschichtet, so ungefähr läuft der kommunale Finanzausgleich. Das hieße für Weimar allein bei den Schlüsselzuweisungen vom Land ein Minus von 15 Mio. Euro (anhand der Zahlen im Entwurf des Haushaltes 2018)

Wenn es mit dem Kulturstadtvertrag auch nur teilweise gelingt – dieses Szenario abzuwenden – dann war es jede Mühe, jeden einzelnen Termin von jeder und jedem Beteiligten, wert. Dann nützt der Vertrag auch der bisher gar nicht erwähnten Breitenkultur, und zwar massiv. Das der Vertrag auch im Lande nicht als wertlos angesehen wird, im Gegenteil, zeigt auch die Forderung aus Erfurt nach einem Hauptstadtvertrag, die jüngst erhoben wurde mit Verweis auf eben jenen Vertrag für Weimar.

Meine Damen und Herren der demokratischen Parteien: Ich bitte um größtmögliche Zustimmung zu diesem Vertrag für die Zukunft der Kulturstadt Weimar. Und zwar gerade weil aus dem Rat heraus wesentliche Schritte unternommen worden sind, damit der Oberbürgermeister im Sinne meiner ersten Ausführungen überhaupt etwas zu unterschreiben hatte. Vielen Dank!

[Rede als Audio in der Mediathek von Radio Lotte Weimar, Übertragung aus der Stadtratssitzung am 08.11.2017]

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Kultur | Reden